„Ich fühle mich fit für diese Aufgabe“

■ Mit einem überraschend klaren Votum wurde am Montag abend Heinz Glässgen zum neuen Intendanten von Radio Bremen gewählt

Die Leute vom Radio-Bremen-Rundfunkrat müssen sich richtig warm geredet haben. Eineinhalb Stunden dauerte das Frage-Antwort-Spiel zwischen dem Gremium und dem neuen „Hoffnungsträger“ des kleinsten ARD-Senders, Heinz Glässgen. Doch dabei muß der Kulturchef beim NDR-Fernsehen und stellvertretende Fernsehprogramm-Direktor des großen Konkurrenten eine überzeugende Vorstellung gegeben haben. Mit einem überraschend klaren Votum von 31 Jastimmen bei einer Enthaltung wählte der Rundfunkrat den 55jährigen Glässgen am Montag abend zum Nachfolger Karl-Heinz Klostermeiers.

„Ich bin nicht vom NDR geschickt worden, um Radio Bremen zu sanieren oder eine Fusion vorzubereiten“, betonte der parteilose Glässgen, der seit 1985 für den Norddeutschen Rundfunk arbeitet und seit 1995 für den neu organisierten Programmbereich Kultur beim NDR-Fernsehen verantwortlich ist. Tatsächlich ist Glässgen nicht geschickt, sondern gebeten worden. In einer dem Vernehmen nach ziemlich zäh verlaufenden Intendantensuche hat eine unabhängige Amateur-Headhunterin aus der achtköpfigen Findungskommission den Kontakt geknüpft. Nach Angaben der Rundfunkratsvorsitzenden Roswitha Erlenwein hat Glässgen das Gremium mit einer „hervorragenden Analyse des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und der Situation Radio Bremens“ beeindruckt und dabei Mitbewerber wie den niedersächsischen Regierungssprecher Jürgen Koerth ausgestochen. „Ich komme nicht mit fertigen Konzepten“, sagte Glässgen, der „sobald wie möglich“ anfangen will und gestern erst mal seinen Chef, NDR-Intendant Jobst Plog, informierte. Eine Bestandsaufnahme soll zu seinen ersten Tätigkeiten gehören, ebenso die Suche nach neuen DirektorInnen, für die er das Vorschlagsrecht hat.

Glässgen steigt mit der Absicht in den Ring, alle vier RB-Hörfunkprogramme erhalten und zugleich die Kooperationsverhandlungen mit dem immer erfolgreicher ins Sendegebiet hineinfunkenden NDR wiederbeleben zu wollen. In den Verhandlungen um die Zukunft des ARD-Finanzausgleichs, aus dem der Minisender an der Weser rund 80 Millionen Mark pro Jahr erhält, hofft er auf die Solidarität der anderen Anstalten. Mit dem Votum des Rundfunkrats geht eine fast zweijährige Demontage der Senderführung zu Ende, die im vergangenen Jahr in der Änderung des Radio-Bremen-Gesetzes gipfelte.

Die in der Hansestadt regierende Große Koalition hatte mit der Novelle die Rechte des Intendanten gestärkt und das amtierende Direktorium um Klostermeier vorzeitig aus dem Amt gekickt. Eine vom Rundfunkrat gebildete Findungskommission mußte sich zweimal auf Intendantensuche begeben, weil der erste Kandidat, Michael Schmid-Ospach, nach seiner Kür im Frühjahr aus Gesundheitsgründen abgesagt hatte. „Ich fühle mich fit für diese Aufgabe“, spielte Glässgen auf die Vorgeschichte an. Christoph Köster