Spürnasen und Langohren an die Front

■ Nach mehreren Neonazi-Anschlägen entdeckt Schwedens Geheimdienst den wahren Gegner: Tierschützer und Antifaschisten

Stockholm (taz) – Am Wochenende schlugen die Staatsfeinde wieder zu. Sie befreiten 30 Kaninchen aus einer Tierfarm im südschwedischen Värnamo und hinterließen militante Flugblätter: Die „Djurens Befrielsefront“ (Befreiungsfront für Tiereö) übernahm die Verantwortung und teilte mit, die Kaninchen „sind jetzt in Haushalten, wo sie nicht geschlachtet, zerlegt und gegessen werden“.

Schwedens Verfassungsschutz SPO ist nun sicher hochaktiv, denn wie aus einer Ende vergangener Woche bekanntgewordenen neuen SPO-Strategie hervorgeht, sind es Leute wie Kaninchenbefreier, welche der Verfassungsschutz in Zukunft mit aller Energie bekämpfen will: Sie gefährden nämlich angeblich „vitale Gesellschaftsinteressen“. Personen, die gegen den Bau einer Straße oder die Abholzung eines schützenswerten Waldes protestieren, die Nerze freilassen und die Schaufenster von Pelzgeschäften beschmieren oder eben Kaninchen aus dem Käfig holen, stellen laut dem SPO-Papier Teile einer „gewaltbereiten Subkultur mit Ursprung im Syndikalismus“ dar, welche durch ihre Aktivitäten „eine konkrete Gefährdung vitaler Gesellschaftsinteressen“ bedeuten. Gegen sie soll eine „nationale Konzentration“ von Polizeimaßnahmen in Gang gesetzt werden.

Nils Bertil Hanson, Kriminalinspekteur der Reichspolizeiführung, erklärt: „Vitale Gesellschaftsinteressen sind da durchaus betroffen. Wir meinen damit zum Beispiel Lebensmittelversorgung, Infrastruktur und die Funktion des Stromnetzes.“ Die offenbar stark unterbeschäftigte SPO beklagt, bislang in diesem Zusammenhang, nicht eingesetzt worden zu sein. Ein neues Register solle erstellt werden, in das man neben Kaninchenbefreier und Waldwegblockierer dann auch noch eine weitere Gruppe aufnehmen will: Antifaschisten. Diese entsprängen nämlich der gleichen „sozialistischen Protestbewegung“.

Zur jüngsten Reihe neonazistischer Mordanschläge hat SPO-Chef Anders Eriksson eine ganz andere Meinung. Von Ausländerunterkünfte in Brand steckenden und vor Morden und Mordversuchen nicht mehr zurückschreckende Neonazis gehe „keine Gefahr für die Sicherheit des Reiches aus, dafür ist das eine zu kleine Gruppe“, sagte er. Nur einen Schluß kann da die Tageszeitung Aftonbladet ziehen: „Ein Milchauto ist offenbar von größerem vitalem Gesellschaftsinteresse als ein ermordeter Asylsuchender.“ Und Göteborgs-Posten kann verunsicherte MitbürgerInnen nur beruhigen: „Asylant, du brauchst nicht ängstlich zu sein, so lange du nicht im Wald eine Tüte wegwirfst und deshalb einen militanten Umweltschützer auf den Hals bekommst. Und Jude, du brauchst dich nicht zu beunruhigen, so lange du kein Fleisch ißt und damit einen militanten Vegetarianer ärgerst. Und Schwuler, du schließlich kannst dich ganz sicher fühlen, wenn du kein Nazi bist und nicht an diese verdammten Antifaschisten gerätst.“ Reinhard Wolff