Beck warnt vor Polenfeindlichkeit

■ Ausländerbeauftragte fordert, die Deutschen über den EU-Beitritt Polens aufzuklären

Berlin (taz) – Gegen die Menschen mag Marieluise Beck nicht mehr Politik machen. Die Bündnisgrüne und Ausländerbeauftragte der Bundesregierung hat das Desaster noch gut vor Augen, als Rot-Grün mit der undiskutierten Einführung der doppelten Staatsbürgerschaft die halbe Nation überrumpelte. Das soll nicht wieder passieren, wenn Polen der Europäischen Union (EU) beitritt. Also müsse erst gründlich diskutiert werden – damit die Menschen auf den ungehinderten Zuzug aus Polen vorbereitet sind. Denn, so bedauerte die Ausländerbeauftragte Beck gestern, es gebe eine „erhebliche Polenfeindlichkeit“ in großen Teilen der Bevölkerung.

Also forderte die Ausländerbeauftragte, die gerade von einer Polenreise zurückkam, beides: eine klare zeitliche Perspektive, ab wann die osteuropäischen Beitrittskandidaten am gemeinsamen Markt und dem europäischen Parlament teilhaben; und Aufklärung für die deutsche Bevölkerung. Beck wünschte sich, die deutsch-polnische Verständigung nach dem Vorbild der Aussöhnung mit dem ehemaligen Erzfeind Frankreich voranzubringen. Das deutsch-polnische Jugendwerk etwa sei weit schlechter ausgestattet als jenes, das Begegnungen zwischen deutschen und französischen Jugendlichen ermöglicht. Beck verlangte konkret, daß die Bundesrepublik künftig zwei Drittel des Zuschusses bezahlen solle. Nur so könne der Jugendwerks-Etat von derzeit sieben Millionen Mark aufgestockt werden.

In Polen werde die Frage der Freizügigkeit – das Recht, ungehindert Aufenthalt und Wohnort zu wählen – genau beobachtet. Die polnische Regierung rechne damit, daß mit dem freien Warenexport der EU etwa 200.000 Arbeitsplätze in Polen wegfallen werden. Aus polnischer Sicht sei es nicht nachvollziehbar, diesen Menschen den Zugang zum EU-Arbeitsmarkt zu versperren. Beck warnte davor, Polen in die EU zu integrieren, mit der Freizügigkeit aber abzuwarten. Das werde viele Menschen in die Illegalität trieben. „Wir können nicht gleichzeitig die Grenzen öffnen und den Arbeitskräftemarkt kontrollieren“, sagte die grüne Politikerin.

Deutlicher als Beck äußerte sich der polnische Sozialrat. Dessen Sprecher Hans-Peter Meister kritisierte, daß die Koalitionsvereinbarung zwischen SPD und Bündnisgrünen nicht genauer definierte Übergangsfristen für die Freizügigkeit nach einem EU-Beitritt der osteuropäischen Anwärterstaaten vorsieht. Diese Fristen müßten wegfallen, sagte Meister. „Die Deutschen sollen aufhören, die Osterweiterung als milde Gaben zu verstehen. Sie bringt erhebliche Impulse für ein Wirtschaftswachstum.“ Marina Mai