Gauloise Blonde

Auf dem Rathausmarkt tut Patricia Kaas etwas für das deutsch-französische Verhältnis  ■ Von Sebastian Hammelehle

Jetzt wird's interessant für musikinteressierte Studenten der Politikwissenschaft: Ist Musik, die ihrer Herkunft und Tendenz nach im besseren Sinne nicht der Politik des jetzigen Bundeskanzlers entspricht, allein dadurch flott und oppositionell oder bleibt ein alter Hut ein alter Hut?

Der alte Hut, das ist der Mainstream-Pop von Patricia Kaas. Die 32jährige Chanteuse verkörpert die musikgewordene Westbindung: Mutter Saarländerin, Vater Lothringer, das Kind singt früh in einem Saarbrückener Kleinkunsttheater, 1988 schließlich der erste Hit – in Frankreich, auf französisch. Die durch zahlreiche Au-pair-Aufenthalte frankophil gewordene jüngere Mittelklasse findet auch in der sogenannten alten Bundesrepublik gefallen am Chanson-Pop der Arbeitertochter. Der wachsende Erfolg der Kaas-Platten geht einher mit dem Durchbruch des Milchkaffees und der Gauloises Blondes in den späten Achtzigern. Weil ihre Balladen niemandem weh tun, tritt Patricia Kaas bald in schicken Abendkleidern bei Familiensendungen auf. Ebenso bald wirkt sie tantenhaft wie die Bonner Republik in den letzten Jahren von Kohl – trotz vergleichsweise kritischer Texte, eines Engagements für Aids-Kranke oder eines umstrittenen Wohltätigkeitskonzerts in Tschernobyl.

Nun ist Kohl weg, Schröder redet lieber mit Blair als mit Jospin, der französische Europaminister klagt darüber, die Bonner Regierung behandle Frankreich herablassend. Deutschland macht selbst auf „La Grande Nation“, wenn die Bundesregierung protestiert, daß EU-Dolmetscher französisch, aber nicht deutsch übersetzen. Und die Liebhaber der daily-soap-tauglichen Pop-Ballade hören seit dem Film Titanic lieber Celine Dion.

Bevor das Hamburger Abendblatt im Sommerloch Helmut Schmidt die Titelseite freiräumt für sein Gejammer, die Weltpolitik sei viel smarter gewesen, als er sie zusammen mit dem französischen Staatspräsidenten Giscard D'Estaing bestimmen durfte, kommt Patricia Kaas nun persönlich nach Hamburg, direkt vor das Zentrum Hanseatischer Regierungsgewalt, das Rathaus, um sich dort mit allen Mitteln an die neue Mitte ranzuschmeißen.

Präsentiert wird das Konzert von einem Marmeladenhersteller – dessen Slogan „das erste Extra des Tages“ erinnert an den Wunsch Neo-Liberaler, sich bereits beim Aufstehen am vollen Output der Dienstleistungsgesellschaft zu erfreuen. Auf den Plakaten, die das Ereignis ankündigen, zeigt sich Kaas in postmoderner Schnappschuß-Ästhetik: „Hach, jetzt bitte kein Foto, Kinderchen“. Frisur und Sound hat sie zu ihrem neuen Album „Le Mot de Passe“ vorsichtig den späten Neunzigern angepaßt, ja modernisiert. Begleitet wird sie vom NDR Hannover Pops Orchestra. Hannover! Patricia Kaas hat offensichtlich verstanden. Sie kommt dem Land von Schröder mit einem alten Hut und einem neuen Anzug: Brioni-Pop also.

Sa, 24. Juli, 20 Uhr, Rathausmarkt