HEW-Ausstieg fällt ins Wasser

Nach Kappung des Norwegen-Kabels kämpfen die HEW mit überraschend dynamischem freien Strommarkt in Europa  ■ Von Sven-Michael Veit

An der Vertragstreue der Hamburgischen Electricitäts-Werke (HEW) könne es „keine Zweifel“ geben, sagt Mario Spitzmüller. Aber aus Verträgen auszusteigen, die „nicht mehr dem Markt entsprechen“, müsse ja wohl möglich sein, findet der HEW-Sprecher. Was er nicht als Präjudiz für den Ausstieg aus der Atomkraft verstanden wissen will.

Die HEW haben der Öffentlichkeit fünf Monate lang vorenthalten, daß sie einen peinlichen und möglicherweise teuren Fehler begangen haben. Erst jetzt sickerte durch, daß der Hamburger Atomkonzern bereits im Februar einen Vertrag mit der EuroKraft Norge As gekündigt hat. Anfang 1995 hatten sie gemeinsam mit den Rheinisch-Westfälischen Elektrizitswerken (RWE) mit EuroKraft, einem Zusammenschluß 22 norwegischer Wasserkraftbetreiber, eine Kooperation vereinbart.

Ein 570 Kilometer langes Stromkabel durch die Nordsee von Norwegen nach Brunsbüttel sollte ab 2004 Strom aus Wasserkraft nach Hamburg leiten. Im Gegenzug würde durch das 600-Megawatt-Doppelkabel in regenarmen Zeiten Strom aus den vier HEW-Atommeilern nach Norden fließen. Die Norweger fordern nun Schadenersatz für entgangenen Gewinn von über 600 Millionen Mark von ihren deutschen Partnern. Die aber wollen nicht zahlen, obwohl sie der rot-grünen Bundesregierung mit der gleichen Argumentation Milliardenforderungen im Falle eines verordneten Atomausstiegs androhen.

„Die Entwicklung auf dem liberalisierten Strommarkt in Europa verläuft überraschend dynamisch“, begründet Spitzmüller die Vertragskündigung. Die HEW hatten einen Einkaufspreis von gut zehn Pfennigen pro Kilowattstunde (kWh) mit den Skandinaviern vereinbart, inzwischen aber ist Strom in Europa für etwa vier Pfg/kWh zu haben. An eine Gleitklausel zur Preisanpassung an die Marktentwicklung hatten HEW und RWE offensichtlich nicht gedacht. „Das kann ich weder bestätigen noch dementieren“, wortkargt Spitzmüller und weist zugleich den Verdacht, die HEW hätten schlampig verhandelt, „nachdrücklich“ zurück.

„Zehn Pfennige bezahlt doch heute keiner mehr“, pflichtet Ludwig Rademacher bei. Bürgermeister Ortwin Runde (SPD), bestätigt dessen Sprecher, sei in seiner Funktion als Aufsichtsratsvorsitzender der HEW über die Vertragskündigung informiert gewesen und habe diese „unterstützt“.

Gespalten reagiert Lutz Jobs, Energieexperte des Regenbogen, auf die Kabelkappung. Einerseits freue er sich, denn das Projekt sei „ökologisch bedenklich und energiepolitisch inakzeptabel“ gewesen. Zugleich erinnert er daran, daß Ex-Umweltsenator Fritz Vahrenholt (SPD) es seinerzeit zum Einstieg in den Ausstieg aus dem AKW Brunsbüttel erklärt hatte.

„Das hat nichts miteinander zu tun“, stellt HEW-Sprecher Spitzmüller klar. Brunsbüttel, das HEW und der Energiemulti PreußenElektra (Preag) gemeinsam betreiben, bleibe noch viele Vollastjahre am Netz. Eine Kündigung des Gesellschaftervertrages für den Reaktor komme nicht in Frage.

Sonst würden am Ende noch Zweifel an der Vertragstreue der HEW aufkommen.