Schwerterkampf mit Rockgitarre

■ Neu im Kino: In „Samurai Fiction“ von Hiroyuki Nakano sind die Witze so trocken und schnell wie die Hiebe eines Meisters

„Bye Bye Kurosawa“ wäre auch ein passender Titel für diesen Film gewesen, denn hier wird Abschied genommen von dem feierlichen, mystisch verbrämten Bild, das die Japaner bis jetzt von ihren Samurai pflegten. Hier werden die Schwerterkämpfe mit knalligem Hardrock unterlegt, die Bilder springen im Rhythmus der Videoclip-Ästhetik, und die Helden sind freche Bengel, die nicht die Ehre, sondern den Kick suchen. Statt edler Ritter gibt es hier Jugendbanden und einen supercoolen nihilistischen Helden, der wie Japans verspätete Antwort auf Marlon Brando wirkt.

Dieser abtrünnige Schatzwächter, der das Schwert des Shogun klaut und damit die Handlung in Gang bringt, wird von einem der bekanntesten Popstars Japans gespielt. Tomoyasu Hotei, ein Gitarrist, der schon mit David Bowie auf der Bühne stand, auf dem Soundtrack von „Fear and Loathing in Las Vegas“ spielte und auch die Musik zu „Samurai Fiction“ schrieb, hat genau die passende Aura des jugendlichen Rebellen, die diesen Film davor bewahrt, nur eine reine Stilübung zu werden. Die Szenen, in denen er spielt, haben ein ganz anderes Energielevel als die restlichen, in denen eine Reihe von Jungsamurais sich durch eine recht schmerzliche Entwicklungsgeschichte schlagen und stechen. Diese werden ausgesandt, um dem bösen Samurai das Shogun-Schwert wieder abzujagen, blamieren sich dabei natürlich bis aufs Blut, und erst einem pazifistischen Alt-Samurai gelingt es zusammen mit seiner schönen Adoptivtochter, dem nettesten Grünschnabel den rechten Weg zu weisen.

All das zeigt Regisseur Hiroyuki Nakano mit viel Spaß an den extremen stilistischen Anachronismen in Schwarz-weiß-Bildern, die auf eine ganz eigentümliche Weise die Sensibilität der MTV-Generation mit Japans traditioneller Ikonographie verbinden. Und zwar nicht nur, indem er Schwerterklingen und Samuraiglatzen blitzen läßt. Seine Helden reiten auch ständig an einem sturmgepeitschten Strand entlang, und in einigen Einstellungen sieht man die erzjapanische Landschaftsidylle: dicht bewaldete Berghänge mit Nebelschwaden. Sonst versenken sich die Japaner in solche Bilder, aber Nakano läßt sie nur für wenige Sekunden aufblitzen. Und genauso funktioniert auch seine Farbdramaturgie. Immer wenn ein Kampf blutig endet, färbt Nakano seine Schwarz-weiß-Bilder kurz rot ein. Dieser Trick läuft sich zwar langsam tot, aber ansonsten bleibt „Samurai Fiction“ 111 Minuten lang eine sehr originell erzählte Pulp Fiction. Denn dies ist, auch wenn die Krieger noch so grimmig blicken, letztlich eine schwarze Komödie, bei der die staubtrockenen Pointen so schnell und überraschend kommen wie die Schwertstreiche eines Meisters.

Wilfried Hippen

„Samurai Fiction“ (OmU), täglich bis Dienstag, 22 Uhr, Kino 46