Ärzte machen Angst vor der Gesundheitsreform

■ Gesundheitsbehörde kritisiert Ärzteproteste, will aber Nachbesserung bei Gesetzentwurf

Selbst wenn sie eine „Katastrophe“ namens Gesundheitsreform nahen sehen, bleiben Bremens ÄrztInnen vornehm: Mit sauber vorgedruckten Plakaten und ganz leise sind gestern rund 20 VertreterInnen verschiedenster medizinischer Interessengruppen – von der Ärztekammer über die Krankenhausgesellschaft bis zum Berufsverband der ArzthelferInnen – zur Demo auf dem Marktplatz aufmarschiert. Dieses Bremer „Bündnis Gesundheit 2000“ protestierte damit gegen „die Risiken und Nebenwirkungen des neuen Gesetzes“, das eine allgemeine Verschlechterung im deutschen Gesundheitswesen mit sich bringe. Symbolisch bandagierten die MedizinerInnen die Beine der Rolandstatue.

„Das war so überflüssig wie manches, was Ärzte bisweilen tun“, kommentierte man diese Aktion später bissig im Gesundheitsressort. Dort unterstützt man den vorliegenden Bonner Gesetzesentwurf in seinen wesentlichen Zügen. Nur in einem Punkt, im beabsichtigten deutlichen Machtzuwachs der Krankenkassen beim Vertragsabschluß mit den Krankenhäusern, sieht Bremen „Nachbesserungsbedarf“. „Wir wollen die Frage über den Standort von Kliniken nicht aus der Hand geben.“ Es könne nicht angehen, daß die Kassen alleine entscheiden, welche Kliniken am Ende den Zuschlag für bestimmte Leistungen erhalten – und welche leer ausgehen. Wenn die Reform im November im Bundesrat beraten wird, wolle das Land sich dort – falls es nach mehreren Länderwahlen noch das Zünglein an der Waage in der Länderkammer ist – entsprechend einbringen, kündigte Gesundheitsstaatsrat Hans-Christoph Hoppensack an. „Diese Debatte darf nicht konfrontativ enden.“ Eine Enthaltung könne nicht im Sinne Bremens sein.

Die Position der Bremer Gesundheitsbehörde ist klar: Die Gesamtkostenentwicklung im deutschen Gesundheitswesen muß begrenzt werden. In der Gesundheitsversorgung gebe es Rationalisierungspotentiale von rund 20 Prozent der jetzigen Kosten. „Das hat schon der ehemalige CDU-Bundesgesundheitsminister Seehofer gewußt.“ Diese Potentiale müßten ausgeschöpft werden, zumal Deutschland mit den Gesundheitsausgaben und der Arztdichte pro EinwohnerIn an der europäischen Spitze liege. Trotzdem werde – das zeige der statistische Vergleich mit anderen Ländern – kein deutliches Mehr an Gesundheit erreicht. „Das belegen Studien der OECD, wonach wir das teuerste Gesundheitswesen haben, bei Statistiken über vermeidbare Sterblichkeit aber nur eine europäische Mittellage erreichen“, betonte Abteilungsleiter Matthias Gruhl.

Das „Bündnis Gesundheit 2000“ dagegen sieht drastische Verschlechterungen in der medizinischen Versorgung auf die Bevölkerung zukommen. Die geplante Reform sei undemokratisch und unsozial, hieß es. „Künftig wird nur derjenige alles für seine Gesundheit tun können, der finanziell dazu in der Lage ist“, erklärte die Präsidentin der Bremer Ärztekammer, Ursula Auerswald. Dazu führe vor allem die fortgesetzte Deckelung der Ausgaben im Gesundheitswesen, die sogenannte Budgetierung für verschiedene Ausgabenposten. Durch diese Begrenzung der Ausgaben nach oben sei vor allem im Krankenhausbereich, wo 70 Prozent aller Ausgaben Personalkosten sind, mit schlechterer Versorgung zu rechnen, kritisierte auch der Vorsitzende der Bremer Krankenhausgesellschaft, Jürgen Scholz, die „Reformhektik“. Bereits jetzt leisteten Krankenhausärztinnen Unmengen Überstunden. Weitere Einsparungen gingen zu Lasten der PatientInnen.

Die Kostendeckelung sowie die Verschiebung hin zur verstärkten ambulanten Behandlung gefährdeten aus Sicht des „Bündnis für Gesundheit“ rund 200 Arbeitsplätze in Bremer Kliniken. Doch seien auch in den Arztpraxen Entlassungen zu befürchten, malte auch die Vertreterin der ArzthelferInnen ein finsteres Bild von der Zukunft. ede