Ideologie: Verzweifelt gesucht

■ In seinem schwerblütigen Brüderdrama „So haben wir gelacht“ entdeckt Gianni Amelio noch einmal das katholische Redlichkeitskino: Erlösung statt Revolution heißt die Parole

Die Zeiten, in denen den Zerlumpten und Verhauenen im Film wenigstens die prächtige Euphorie einer Arbeiterpartei entgegenwinkte und die Sehnsucht nach privatem Glück in einer freundlichen Solidargemeinschaft aufging, sind lange vorbei. Dem Kino des Gianni Amelio („L'america“, „Die gestohlenen Kinder“) sind zwar nicht die vom Kapital Geprellten ausgegangen, wohl aber alle Ideologien, die sich ihrer annehmen könnten. Doch deswegen sehnt sich Amelio nur um so stärker nach der Unbeirrbarkeit der großen Väter wie Visconti oder De Sica.

Auch in seinem neuen Film „So haben wir gelacht“ kuschelt sich Amelio im Kino der alten Meister ein, empfiehlt sich als traditionsbewußter Sohn, der in unseren hektischen Tagen noch einmal auszieht, die prozessuale Langsamkeit und das Redlichkeitskino zu entdecken. Doch was Gianni Amelio dabei findet, ist schiere Langwierigkeit. Mit „So haben wir gelacht“ liefert er fast ein Remake von „Rocco und seine Brüder“. Doch wo der neorealistische Vorfahr Visconti die kühle Mechanik der Marktwirtschaft an der Befindlichkeit seiner Figuren entlang reibt, bis auch die Utopie der alles gebenden Bruderschaft zerbricht, schweift Amelio in seiner Geschichte in biblische Epik ab und verfällt in einen schwer erträglichen Fatalismus.

„So haben wir gelacht“ – benannt nach der Witzseite in La Demenica del Corriere, einer italienischen Wochenzeitung – erzählt die Geschichte der beiden süditalienischen Brüder Pietro (Francesco Giuffrida) und Giovanni (Enrica Lo Verso), die im industrialisierten Norden ein besseres Leben suchen. Doch im Turin der ausgehenden 50er Jahre werden sie wie Gastarbeiter im eigenen Land empfangen. Überlebensstrategien müssen her, zur Not illegale, bis das redliche Leben erschwinglich wird. Und so verstrickt sich der Analphabet Giovanni in halbseidene Geschäfte, um dem Jüngeren die Schule zu bezahlen. Pietro wird hingegen zum ängstlichen Kopisten, der sich wie ein Sohn aus gutem Hause kleidet und auch so redet, um im Spiel der gehobenen Täuschungen und des eleganten Abzockens nicht unterzugehen. Die Brüder glauben aufrichtig nicht an die eigene Rechtschaffenheit, aber an die wackere Ehrlichkeit des jeweils anderen, bis sie sich mit einem Mord dann doch den ganzen Dreck des armen Lebens ins Haus holen.

Der Realismus, mit dem Amelio seine oft blau angelaufenen Bilder ausstattet, bleibt ein seltsamer. In wunderlichen Dialogen und etlichen Handlungsschnörkeln wird die soziale Realität zur bloßen Kulisse, in der die Mysterien des Menschen um so feierlicher hervortreten sollen. Am Ende kann es nicht mehr um Bildungsideale, Reformen, schon gar nicht um Revolutionen gehen, sondern nur noch um eines: Erlösung.

Mit solchen Aussichten fiel es dem Regisseur schwer, zum Ende zu kommen. Und wenn es nach Gianni Amelio gegangen wäre, würde er heute noch drehen, „für immer“, wie er freimütig im Presseheft bekennt. Seine Unermüdlichkeit brachte ihm letztes Jahr den Goldenen Löwen in Cannes ein. Und dem Kino eine schwerblütiges Brüderdrama, das die meisten Pointen noch schuldig bleibt. Und sei es nur die Antwort auf die Frage, wie man vier Elefanten in einen Fiat quetscht. Birgit Glombitza

„So haben wir gelacht“. Regie: Gianni Amelio. Mit Enrico Lo Verso, Francesco Giuffrida, Fabrizio Gifuni u.a. Italien 1998, 124 Min.