Lachnummer in Berlin

■ Zwanzig halbnackte Demonstranten machten das Gelöbnis der Bundeswehr zu einem Fiasko

Berlin (taz) – Sekunden vor dem Sprechen der Gelöbnisformel ist der Befehl „Augen geradeaus“ überflüssig. Entgeistert starren Rekruten und Ehrengäste des dritten öffentlichen Gelöbnisses der Bundeswehr in Berlin auf die rund 20 Demonstranten, die – teils nackt und mit roter Farbe beschmiert – über den Gelöbnisplatz am Bendlerblock rennen.

Einem von ihnen gelingt es, bis zur Fahne vorzustoßen, wo sechs Rekruten eben zum Eid anheben wollen. Nach einem Handgemenge wird er von den sichtlich überraschten Feldjägern zu Boden gerissen. Als sein Gesicht auf den Betonboden gedrückt wird, erhebt sich tosender Applaus unter den 2.200 geladenen Gästen. Auf der Tribüne leisten einige Zuschauer Waffenhilfe, versuchen, einem der Störer einen Schirm in den Mund zu stecken.

Trotz meterhoher Absperrungen ist das Gelöbnis der Bundeswehr zur Lachnummer geworden. „Mörder, Mörder“-Rufe bilden die Geräuschkulisse, eine Luftschutzsirene ertönt, ein Martinshorn der Polizei, die schließlich den Lautsprecherwagen der Demonstranten stürmt, tut das übrige.

Die Bundeswehr sei auf „einem antimilitaristischen Fundament“ gegründet worden, hat der Kanzler wenige Minuten zuvor erklärt. Wie zur Bekräftigung marschiert er dann in die Mitte des Platzes, hebt einen rosa Schirm auf, der während der Blitzaktion der Demonstranten zurückgeblieben ist.

Noch einmal erscheint eine Nachhut des Störerbataillons – ein Mann dreht im Laufschritt beinahe eine ganze Runde an der Truppe vorbei. „Tucholsky hat recht“, steht auf seinem Schirm.

Die Rekruten lassen das Spektakel an sich vorübergehen, regungslos halten Soldaten den Karabiner k 98 k, die Standardwaffe der Wehrmacht, geschultert. „Schön, daß mein Gelöbnis so abwechslungsreich war“, meint einer der Rekruten hinterher. Während man auf der Tribüne die Nationalhymne singt, schleppen Feldjäger die letzten Störer hinaus.

Am Ende teilt ein Ansager über Lautsprecher mit: „Der Soldat Ingo B. wird von seiner Mutter sehnsüchtig unter der Bundesdienstfahne erwartet.“

Andreas Spannbauer