Unterm Strich

Bei uns hieß das Festival früher Woodstöckchen, wurde von einem gewissen Winfried Kneidl organisiert und fand das erste Mal auf der Wiese vor dem Jugendzentrum in Rendsburg statt. Die Bands kamen vor allem aus dem Kreis Hanerau-Dithmarschen, manche hatten sogar im Kieler Onkel Pö gespielt. Mal gab es Raggae, dann ein Gitarren-Duo mit folkigem Fingerpicking oder unglaublich geilen, fast Wishbone-Ash-mäßigen Melodicrock mit Olle Boysen, und zum Schluß wurde ein ziemliches Blues-Feuerwerk abgebrannt, wie man unter uns Woodstöckchen-Fans so sagt. Heute findet das Festival leider weit weg von Rendsburg in Rome im Bundesstaat New York statt. Das Festival ist außerdem unglaublich kommerziell geworden, am Wochenende waren dort fast 225.000 Menschen unterwegs. Selbst der Name wurde in „Woodstock 99“ umbenannt, weil man sich angeblich auf ein Festival mit Joe Cocker bezieht, das vor 30 Jahren stattgefunden haben soll (siehe taz vom Samstag). Anstelle der Charly Schreckschuß Band treten nun James Brown, Elvis Costello, Metallica oder der Grateful-Dead-Drummer Mickey Hart auf. Das Schlimmste aber ist: Drogen sind bei den Amis komplett verboten. Bei uns gab's dagegen noch echten roten Libanesen für zehn Mark das peace. Aber so ist das halt, wenn der Spirit verlorengeht.

Wo wir gerade bei Erinnerungen an die Jugend auf dem Lande sind: Der ostdeutsche Schriftsteller Gert Neumann (57) erhält für seinen im März erschienenen Roman „Anschlag“ den Uwe-Johnson-Preis. Wie der Kölner Buchverlag DuMont am Samstag mitteilte, wird die mit 25.000 Mark dotierte Auszeichnung alle zwei Jahre „an deutschsprachige Autoren vergeben, in deren Schaffen sich Bezugspunkte zu Johnsons Poetik finden beziehungsweise die den eigenen deutsch-deutschen Hintergrund berücksichtigen“.

Der 1942 in Heilsberg in Ostpreußen geborene und in der DDR aufgewachsene Neumann war 1969 aus der SED ausgeschlossen worden. Als Vierjähriger kam er als Kriegsflüchtling nach Mecklenburg und lebte bis 1949 in Cosa bei Friedland. Heute wohnt Neumann in Berlin. 1983 erhielt er den Literaturpreis der Akademie der Künste West-Berlin und 1992 die Ehrengabe der Weimarer Schillerstiftung.