Nun macht's nie mehr tüptüptüptüp

■  Mit welchen Designmitteln uns das Fernsehen was alles vorgaukeln will: Statt eines Internetmenüs zeigt uns die ARD beispielsweise ab heute bunte Bilderblöcke

Mag sein, daß wir als Fernsehzuschauer naturgemäß das Programm interessanter finden als dessen Präsentation. Und wenn das erste Programm der ARD heute sein Präsentationsdesign ändert, wird uns wohl vor allem eins auffallen: Daß wir ohnehin nie richtig hingeschaut haben, wenn der Sender mal wieder für sich selbst Reklame macht.

Diese kleine Synthetikfanfare aber, mit der das Erste bislang ankündigte, daß es nun anhand einer Art Internet-Benutzeroberflächensimulation Programmtips geben wolle, ist uns dennoch gewiß nicht entgangen: „Schau'n Sie mal, was wir alles im Angebot haben“, raunte der Bildschirm dann. „Tüptüptüptüp: Serie, Unterhaltung, Information, Spielfim. Und heute empfehlen wir Ihnen ... hm, mal seh'n ... klick, den Biolek!“ Nicht zuletzt dieses kurze, gewitzte Zögern bei der Auswahl ließ uns vorm Weiterzappen oftmals tatsächlich kurz innehalten.

Und so soll's ja auch sein: Der durch die Kanäle kreuzende TV-Surfer soll bitte schön seßhaft werden. Weswegen ihm das Erste seine blühende Programmlandschaft zeigt, als wär's die ganze Fernsehwelt. Nicht nur die TüptüptüpProgrammvorschau im Ersten tat da so, als hätte der Herr Programmdirektor persönlich gerade eine tolles Schmankerl für uns ausgesucht. Und das, obwohl einem Sender, der rund um die Uhr Zuschauer angelt, der einzelne Programmplatz so wichtig gar nicht sein kann. Die Designer finden für derlei kleinstaatlerisches Große-Welt-Getue natürlich dennoch schöne Worte: Einen „direkten Überblick in einer weitgehend unübersichtlichen Fernsehwelt“ wollte die ARD suggerrieren und die einzelnen Sendungen „als Teile eines Programmblocks und als Bausteine einer Programmstruktur“ präsentieren.

Immer dann, wenn ein Werbeblock oder Abspann den Programmfluß unterbricht, sagen uns die Sender ganz beiläufig „Wir sind's!“ und „So sind wir!“ Und weil dieses „So sind wir“ immer auch ein „So zeitgemäß sind wir“ ist, befindet sich die Selbstdarstellung analog zum Zeitgeist in einem steten Wandel: Nach den langen, öffentlich-rechtlichen Fernsehjahren mit ihrer quasi designfreien Pause-, Testbild- und Sendeschlußästhetik entdeckten die alten und neuen Sender in den 80ern die Tiefe des Raums: Durch den flogen jene blitzblanken 3-D-Edelmetallanimationen, in denen protzige Logos und Schriftzüge gedreht, gewendet und gemorpht wurden, was die Rechner neuerdings hergaben. Anfang der 90er dann war diese Technik-Begeisterung plötzlich als uniform verpönt – und die Wiederentdeckung der Zweidimensionalität, mit der sich zwischenzeitlich u. a. RTL 2 in der Branche einen Namen machte, galt als angesagtes Understatement.

So ist das TV-Design immer auch ein Modespiel der Designer. Ungewiß ist, was der Zuschauer davon hat, daß z. B. fast alle Sender ausgeklügelte Farbsystematiken haben, demzufolge die Sat.1 zum Beispiel Comedyformate in gelb ankündigt, während bei der ARD die Serien gelb sind und beim ZDF die Unterhaltung.

Inzwischen hat sich ein Trick-, Rahmen- und Farben-Mix durchgesetzt, in dem die ARD mit ihrer Online-Optik, die sich übrigens auf der Homepage ebenso wiederfand wie in der Gestaltung von allerlei Drucksachen, in den vergangenen zwei Jahren eigentlich immer ganz gut aussah.

Dennoch entsorgt das Erste heute ab 8.59 Uhr sein Klick-Design. Aber die Ziele der Design-Gaukelei haben sich kaum geändert. So erklärt Hubert Schillhuber, Geschäftsführer und Creative Director der Wiener Agentur DMC, die seit Jahren nicht nur das Erscheinungsbild der ARD, sondern auch das vieler anderer Sender gestaltete, die „neue Optik“ sei nichts weiter als „eine Auffrischung“. Weiterhin orientiere man sich am Internet. Aber das werde selbst mehr und mehr zu einem Bildmedium und „das Zusammenwachsen von Netz und Fernsehen“ sei eine Entwicklung, die das neue ARD-Design mit seinen „Bilderräumen“ – und mit Blick auf die heute noch jungen Zuschauer von morgen – „evolutiv“ begleite.

Das im Vergleich zum Grafikerdeutsch relativ unspektakuläre Ergebnis (verschieden kleine Videobildchen ziehen von rechts nach links über die Mattscheibe, bis sich irgendeins zum bildschirmfüllenden Trailer vergrößert) erinnert entfernt an die Titelsequenzen von Seifenopern. Aber selbst die würden wir wahrscheinlich auch ohne Vorspann (nicht) anschauen.

Christoph Schultheis