Beim Heumachen erschossen

Das Massaker an 14 Serben löst bei den Kosovo-Albanern klammheimliche Freude aus. Die UCK will es nicht gewesen sein. Den Haager Ermittler ist eingeschaltet  ■   Aus Pristina Erich Rathfelder

Das Dörfchen Gradsko liegt inmitten grüner Wiesen, auf denen Kühe grasen. Die Menschen sitzen im Schatten der Veranden, trinken Kaffee und unterhalten sich. Ein scheinbar friedliches Bild. Am Freitag abend wurden zwei Kilometer von diesem Dorf entfernt 14 Männer – unter ihnen ein 16jähriger Junge – mit automatischen Waffen niedergemäht.

20 Minuten lang wären die Schüsse zu hören gewesen, sagen die Dorfbewohner. Auf dem Feldweg, der zum Platz des Massakers führt, sind einige Fahrzeuge der britischen KFOR-Truppen anzutreffen, die jetzt das Gelände sichern. Der Tatort ist abgesperrt, Blutflecke sind auf der Wiese noch zu sehen, mit orangener Farbe sind Markierungen angebracht.

Die Opfer, so bedeutet einer der britischen Soldaten, hätten gerade Heu gemacht, als sie überfallen wurden. Aus einem Wäldchen, das nahe der Wiese liegt, sind die Mörder wahrscheinlich gekommen. Ein Mann, der auf einem Traktor fliehen wollte, wurde ebenso getroffen wie jene, die direkt auf der Wiese gefunden wurden.

Die serbische Bevölkerung des Dorfes ist erschüttert, voller Angst und auch voller Haß. Für sie steht fest, daß die Mörder Albaner waren – „UÇK-Terroristen“. Und deshalb sehen sie nur noch einen Ausweg: „Wir wollen die Frauen und Kinder in die russische Armeebasis bringen“, erklärt ein junger Mann. Einer der Älteren versucht die Gemüter zu beruhigen. Er wolle nicht irgendwo Flüchtling sein, die KFOR-Truppen müßten jetzt das Dorf sichern, verlangt er. Verbittert berichtet eine Frau, man hätte die Briten schon lange von Drohanrufen informiert und um Schutz gebeten. Der sei zwar für den Samstag bewilligt worden, „aber da war es schon zu spät“. Haßerfüllt sagt sie: „Wäre unsere Armee noch hier, wäre das nicht passiert.“

Doch von genau dieser Armee wurden Zeugenaussagen zufolge alle umliegenden albanischen Dörfer und der nächstgelegene Stadtteil von Lipljan im April dieses Jahres niedergebrannt. Die albanischen Bewohner wurden damals nach Makedonien deportiert.

Die Albaner in Lipljan zucken nur mit den Achseln, wenn sie auf das Massaker angesprochen werden. Natürlich hat keiner etwas gewußt. Und niemand will zu den Morden etwas sagen. Nur ein junger Mann, der aus der Schweiz zu Besuch gekommen ist, kritisiert das Verhalten der eigenen Landsleute. „Wenn Albaner die Mörder waren, gehören sie genauso bestraft, wie die Serben, die Verbrechen begangen haben.“ Die Umstehenden schweigen, als er das sagt. Man kann ihnen die klammheimliche Freude anmerken.

„Die Toleranz und das Zusammenleben in einem demokratischen System kann man nicht erzwingen“, sagt später der Oberkommandierende der KFOR-Truppen, Michael Jackson, auf einer Pressekonferenz. Die KFOR würde jedoch alles daransetzen, die Umstände der Tat zu klären und die Mörder ausfindig zu machen. Auch ein Team des Den Haager Kriegsverbrechertribunals sei eingesetzt. Ermittlungsergebnisse gibt es noch nicht.

Auch der UN-Sondergesandte für das Kosovo, der Franzose Bernard Kouchner, findet heftige Worte für die „feigen“ Mörder. Ausdrücklich begrüßt er, daß der Oberkommandierende der UÇK, General Agim Ceku, das Massaker verurteile und seine Hilfe bei der Aufklärung angeboten habe.

Es dürfte für die Führung der UÇK doch relativ leicht sein, die Täter zu ermitteln, erklären Nato-Sprecher in Hintergrundgesprächen. Doch niemand will über den Stand der Ermittlungen weitergehende Auskünfte geben. Lediglich, daß es sich bei den Tatwaffen um Kalaschnikows gehandelt habe, ist den Offizieren zu entlocken.

Das Massaker störe den „Prozess der Beruhigung“, könne ihn aber nicht aufhalten, ist der Tenor von Bernard Kouchners Erklärung gestern mittag in Priština. Leidenschaftlich weist der ehemalige Chef der Hilfsorganisation „Médecins sans Frontières“ auf die in den letzten Wochen gemachten Fortschritte hin. Die Sicherheitslage habe sich verbessert, nach den Erschütterungen der letzten Monate habe das zivile Leben wieder eingesetzt. Der Wiederaufbau habe begonnen. Die ersten Polizeikräfte würden jetzt aufgebaut, eine Polizeischule würde Anfang August gegründet, im September könnten die ersten lokalen Polizisten ihren Dienst beginnen.

Die internationale Gemeinschaft solle für die nächsten drei Monate die Kosten für die Gehälter der Staatsbediensteten übernehmen und auch Pensionen für die alten Menschen auszahlen. Vordringlich wäre, eine Registrierung der Bevölkerung vorzunehmen. „Wir brauchen Wahllisten“, so Kouchner. Die ersten Wahlen sollten so schnell wie möglich durchgeführt werden.