Querspalte

■ Es bringt nichts

Vorgestern bin ich in Vorpommern Auto gefahren. Kein Akt. Nicht riskanter, als in Priština „Kalinka“ zu singen, und nur fast so gefährlich wie eine Brandenburger Land-straße, wo sie ja schon Schilder aufgestellt haben: „Bitte nicht gegen die Bäume fahren.“ Es war warm, die rammdösigeren Verkehrsteilnehmer kamen besonders hirnver-brannt vom Strand; und wenn sie mich in ihren Golfs mit den Anfangsbuchstaben HST, HGW, HRO, NVP in der Kurve überholten, dann machte es bum-bum-bum aus ihren getönten Heckscheiben.

Love Parade. Ich sagte denen einige Worte nach, wovon „Hühnerficker“ und „Inzüchter“ die etwas zärtlicheren waren; schließlich klammerte ich mich zusammen mit herzschwachen westdeutschen Senioren an den Seitenstreifen und grantelte: „Wenn der mit seinem blauen BMW drei Kilometer weiter am Baum klebt, dann lachen wir seine dampfenden Kaldaunen aus.“

Im Bungalow habe ich dann ein kühles Lübzer Pils geköpft, die Bild am Sonntag aus dem Stapel gezogen und fünf Minuten später gewußt, daß Überholverbote vor Hügelkuppen und Kurven sowie bei Gegenverkehr überhaupt nichts bringen.

Grund: Niemand hält sich daran. Die BamS berichtet über eine Studie der Bundesanstalt für Straßenwesen, die die erlaubte Höchstgeschwindigkeit auf einigen städtischen Vorfahrtsstraßen probeweise herabgesetzt hatte: „Zum 1. Mal bewiesen: Tempo 30 bringt nichts!“ – „Der Grund: Niemand hält sich daran.“ Ich überlegte, daß es ein Spaß wäre, auf vierspurigen Magistralen mit Krankenfahrstühlen um die Wette zu karriolen, suchte nach einer Stellungnahme des ADAC ( „Tempo 30 macht die Motoren kaputt“) und fand eine von Gerhard Glogowski: „Wir haben unsere Straßen nicht ausgebaut, um sie anschließend nur im Schneckentempo befahren zu können.“

Das bleibt also von einem Land, wenn Gerhard Schröder es nur lang genug regiert hat. Darauf nahm ich noch ein zweites bis viertes Lübzer. Wir haben nicht das ganze Bier gekauft, damit es im Kühlschrank verkommt. Prost!

André Mielke