Die Gräber in Orahovac werden geöffnet

■ Deutsche Experten beginnen heute im Kosovo mit der Untersuchung der Massengräber von Orahovac. Geklärt werden soll das erste große Massaker des Kosovo-Konflikts, über das die taz vor einem Jahr berichtete

Berlin (taz) – Einer der kontroversesten Vorgänge des Konflikts zwischen jugoslawischer Staatsmacht und Kosovo-Albanern steht möglicherweise vor der Aufklärung. In der Umgebung des Ortes Orahovac will heute ein deutsches Expertenteam mit forensischen Untersuchungen von mutmaßlichen Massengräbern beginnen. Die Arbeiten hätten eigentlich schon gestern beginnen sollen, wurden aber durch Regen verzögert.

Die taz hatte am 5. August 1998 berichtet, es gebe in Orahovac ein Massengrab mit mehreren hundert toten Kosovo-Albanern – Opfer von Massakern, die Serben im Juli verübt hätten. Es war das erste Mal, daß über Verbrechen dieses Ausmaßes im Kosovo berichtet wurde. Der taz-Korrespondent Erich Rathfelder wurde damals wegen dieser Berichte aus Jugoslawien ausgewiesen und zur unerwünschten Person erklärt. In den letzten Wochen konnte er wieder mehrfach nach Orahovac reisen.

Die Untersuchungen in Orahovac betreffen zunächst Stellen, wo Massengräber jüngeren Datums vermutet werden. Die Opfer sollen von serbischen Sicherheitskräften während der Nato-Luftangriffe im Frühjahr dieses Jahres in umliegenden Dörfern getötet und anschließend umgebettet worden sein. Danach will das Ermittlerteam auch direkt den Ort des mutmaßlichen Massakers von 1998 untersuchen. „Wir werden eine sehr sorgfältige Untersuchung machen“, sagte der Leiter des Teams, Kriminaldirektor Manfred Rutkowski.

Neben der Untersuchung von Massengräbern sollen dabei auch die Täter ermittelt werden – eine politisch heikle Aufgabe. Insgesamt dürften die Arbeiten mehrere Monate dauern. Wenn sie erfolgreich sind, dürften sie Klarheit darüber schaffen, was im Juli 1998 in Orahovac wirklich geschah, nachdem sich die genaue Anzahl der Ermordeten bis heute nicht hat feststellen lassen.

Das Team, das die Untersuchungen vornehmen soll, besteht aus etwa 30 forensischen Experten und BKA-Mitarbeitern, die Ermittlungen für das internationale Jugoslawien-Tribunal der Vereinten Nationen in Den Haag durchführen. Sie sind die ersten von etwa 300 Experten, die Deutschland zur Aufklärung von Kriegsverbrechen in das Kosovo entsenden will. Dänemark, Schweden, Frankreich, Kanada, Großbritannien und die Schweiz haben bereits förmliche Abkommen mit dem Tribunal über eine befristete Entsendung von Experten zur Unterstützung der Ermittlungen geschlossen. D.J.

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