Kaum Hilfe für junge „User“?

■ Bremer Drogenberatungsstellen legen ihren Jahresbericht vor / Ein Gespräch mit Leiter Anton Bartling über Schwächen und Stärken des Systems

Die Bremer Drogenberatungsstellen haben in dieser Woche ihren Beratungsbericht 98– vorgelegt. Vor allem für junge „User“ gibt es in Bremen wenig Angebote. Wir sprachen mit Anton Bartling, Leiter der Bremer Drogenberatung, über Schwächen und Stärken des Beratungssystems.

taz: Im vergangenen Jahr haben Sie mit 1.841 Drogenabhängigen nur ein Drittel aller rund 4.000 Drogenkonsumenten erreicht. Das hört sich erstmal nicht viel an?

Anton Bartling: Das sind fast 50 Prozent. Aber wir sind auf Klienten angewiesen, die sich auch helfen lassen wollen. Und das waren im vergangenen Jahr immerhin 200 mehr als noch 1997. Aber viele werden einfach nur mal auffällig und verschwinden dann wieder, weil sie ihre Abhängigkeit nicht als Problem begreifen – zum Beispiel Jugendliche, die gerade in der Einstiegsphase sind. Andere steigen von selbst aus.

Aber gerade für diese Gruppe gibt es laut Bericht wenig Angebote: Das „Party-Project“ für Jugendliche, die Partydrogen konsumieren, wurde erst vor zwei Jahren eröffnet. Außerdem wurde die Straßensozialarbeit mit Jugendlichen in der Drogenszene im vergangenen Jahr aus Personalmangel eingestellt.

Wir haben anfangs versucht, junge Leute, die Partydrogen konsumieren, mit dem herkömmlichen System zu erreichen. Aber das hat nicht geklappt, und dann haben wir später im Kontakt mit Berlin und Münster das Party-Projekt gestartet.

Und wieso hat man die Streetwork-Arbeit mit Jugendlichen eingestellt?

Drei Mitarbeiter hatten gekündigt, die Stellen konnten nicht sofort wiederbesetzt werden und eine Kollegin war lange Zeit krank. Deshalb war die Situation so. Aber jetzt wird sich das ändern: Eine erste Stelle ist schon wiederbesetzt und ich hoffe, daß wir in dem Bereich bald wieder vollständig sind. Die Straßensozialarbeit war für Jugendliche gedacht, die konkret in der Szene – also zum Beispiel am Bahnhofsvorplatz – anzutreffen sind. Sie sind zwischen 17 und 19 Jahre alt und sehr schwer zu erreichen. Sie denken nicht: Ich will unbedingt Hilfe und will von der Droge weg – sondern: Ich experimentiere ein bißchen damit, ich bin noch nicht so fertig wie die Leute am Eck.

Insgesamt entsteht der Eindruck, der „User“-Nachwuchs wird in Bremen vernachlässigt?

Das würde ich so nicht sehen. Sicherlich haben wir im Jugendbereich Schwierigkeiten. Aber wir versuchen auch, sie über verschiedene andere Maßnahmen zu erreichen: Wir sprechen die Jugendlichen über Schulen und über die Suchtpräventions-Stelle im Bildungsressort an, weiter ist der gesamte Jugendhilfebereich mit dieser Problematik konfroniert...

... wobei die Präventions-Stelle auch nur eine Handvoll Mitarbeiter hat ...

... das ist so. Aber wir können eben nur mit dem Vorhandenen arbeiten ...

Könnte man nicht Gelder umsteuern – und zum Beispiel das schon zehn Jahre alte Methadonprogramm auf den Prüfstand stellen? Immerhin werden fast 1.300 der insgesamt 4.000 Drogenabhängigen in Bremen substituiert. Aber Erfolg und Mißerfolg wurden bislang nur dürftigst analysiert.

Umgesteuert werden soll aus diesem Bereich sicherlich nicht. Im Großen und Ganzen hat sich Methadon bewährt. Zur Zeit findet gerade eine Untersuchung über die Qualität der psychosozialen Betreung statt. Wir haben uns in den letzten Jahren schon bemüht in anderen Bereichen umzusteuern. Allein im Wohnungsbereich hat die Stadt schon viele teure Objekte abgegeben.

Sie haben in Ihrem Bericht das Problem angesprochen, daß Krankenkassen und Rentenversicherungen bisher nicht bereit sind, Kosten für Therapien für Substituierte zu übernehmen. Was wird sich in diesem Bereich künftig tun?

Nach einem erfolgreichen Therapie-Modellprojekt in Nordrhein-Westfalen wird Bremen jetzt Kontakt aufnehmen mit der hiesigen Landesversichungsanstalt, um auch hier einen Einstieg zu finden. Da sind wir dran.

Der Bericht erwähnt immerhin 200 Langzeit-Subsitutierte, die Sie kaum halten können und die durch exzessiven Beigebrauch anderer Drogen auffallen. Wäre für diese Gruppe nicht medizinisch eine kontrollierte Heroinabgabe nötig?

Es gibt sicherlich einige aus dieser Gruppe, deren Situation man mit Heroin verbessern könnte. Die Erfahrung zeigt in der Tat, daß Originalstoffe besser stabilisieren können als Substitute. Bei starker psychiatrischer Auffälligkeit stößt aber auch Heroin an seine Grenzen.

Die große Koalition in Bremen will von einer kontrollierten Heroinabgabe bislang nichts wissen.

Die Ablehnung ist derzeit politischer Konsens. Bremen will erstmal die dazu anlaufenden Modellversuche aus anderen Städten beobachten und die Ergebnisse abwarten. Und sich dann entscheiden.

Und solange bleibt ein Teil der Drogenkranken auf der Strecke?

Ja, was die Heroinvergabe angeht. Sie werden weiter mit dem Substitut leben müssen.

Und was passiert in der Zwischenzeit?

Im Moment untersuchen wir wieviele Menschen im Methadonprogramm mit welchen Angeboten von psychosozialer Begleitung erreicht werden und wie man die Angebote verbessern kann...

... und wie?

... wir haben in den letzten Jahren ein gut entwickeltes Netz der Drogenhilfe aufgebaut, und auch 1998 ist mit der Verabschiedung von Leitlinien und einem Dokumentationssystem ein großer Schritt getan worden.

... und was wollen Sie für Jugendliche tun? Laut Bericht fehlt auch noch ein spezielles Entgiftungs-Programm ?

Wir planen jetzt eine gemeinsame Lösung mit Hannover, die gerade eine neue Einrichtung aufmachen. Das ist dringend nötig: Denn wenn ich 14jährige auf einer Station habe mit 45jährigen, kann man nichts Sinnvolles machen. Fragen:

Katja Ubben