Bis zum Ende für diesen Staat

■  Die Dokumentarfilmerin Aysun Bademmsoy hat drei ehemals nichtdeutsche Polizisten bei ihren alltäglichen Einsätzen in Berlin begleitet (23 Uhr, ARD)

Samstag nachmittag in der Berliner U-Bahn, kurz vor einem Hertha-Spiel. „Wir sind die geilen Jungs aus der Reichshauptstadt / Ficken, oder was?“ grölen ein paar Gestalten, denen man nachsagt, vom Affen abzustammen. Kein vernunftbegabter Mensch hält sich gern in deren Nähe auf, aber Bürol B., 23, ist dummerweise beruflich unterwegs; er gehört zur Polizei-Eskorte, die die Fans ins Stadion begleitet. Daß die geilen Jungs der Ansicht sind, einer wie er solle sich lieber verpissen aus ihrer geilen Hauptstadt, schreckt ihn nicht: „Ich werde bis zum Ende für diesen Staat arbeiten.“

„Deutsche Polizisten“ ist ein Film über drei Männer, die als Nichtdeutsche geboren wurden – zwei als Türken und einer als Jugoslawe –, aber mittlerweile einen Paß mit dem Adler drauf haben und dem 3. Zug der 5. Direktionshundertschaft Kreuzberg/Neukölln angehören. Und sie alle werden wohl bis zur Rente „einer von den Guten“ (Bürol B.) sein – obwohl der Lohn nur für einen Urlaub „bei Vechta“ reicht, wie Fatih G., 22, erzählt.

Aysun Bademmsoy von der Harun Farocki Filmproduktion hat die drei Polizisten bei alltäglichen Einsätzen begleitet: beim Aufspüren eines Autofahrers, der keinen Führerschein hat, in der Wohnung eines Pärchens, das abends mit einer Schreckschußwaffe aus dem Fenster geballert hat, oder in einer Neuköllner Kneipe, wo eine Frau ohne Arbeitserlaubnis hinterm Tresen steht. Nachdem sie in Sachen Drogen „verdächtige Jugendliche auf der Karl-Marx-Straße“ aufgegriffen haben, fragt die Autorin Bürol B., wie er sich denn fühlen würde, wenn er mal einen Bekannten oder Kumpel verhaften müsse? „Solche Freunde hab' ich nicht, so richtig in der BTM-Szene“, sagt er. Wenn es um Drogen geht, sprechen die drei Polizisten immer von BTM (Betäubungsmitteln). Den deutschen Beamtenjargon haben sie also verinnerlicht.

Die Autorin deutet ihre Position zwar in den Dialogen mit den Protagonisten an, auf Off-Kommentare verzichtet sie allerdings. Und das tut dieser Doku sehr gut. Manche Zuschauer werden sich womöglich darüber wundern, daß Bademmsoy nicht die als Deutsche geborenen Polizisten zu ihrem Verhältnis zu den neudeutschen Kollegen befragt. Daß sie es nicht tut, ist aber gerade eine ihrer Stärken. Warum sollte sie Unterschiede konstruieren? Auch wenn zum Beispiel Amman M., 24, „mit der Seele in der Heimat ist“, in Jugoslawien, wo Angehörige leben, die er seit acht Jahren nicht gesehen hat: Der Film zeigt, daß Bürol B., Fatih G. und er in erster Linie sind, was der Titel verspricht: „deutsche Polizisten“.

Die Schlüsselszene hat Bademmsoy bei der Weihnachtsfeier des 28köpfigen Zuges eingefangen. „Wahn-sinn/ Warum schickst du mich in die Hölle?“ fragt Wolfgang Petry, und die Damen und Herren Polizisten, auch die ehemaligen Nichtdeutschen, grölen ausgelassen mit. Daß in dieser Truppe „viele Kulturen“ zu finden sind, wie der Untertitel des Films nahelegt – davon ist auf dieser wahrhaft höllenkompatiblen Party nichts zu spüren. René Martens