Gucken, kaufen, fressen

FSK präsentiert: die etwas andere Kulturkritik in den Werken George A. Romeros und Luis Bunuels  ■ Von Oliver Rohlf

So etwas nennt man wohl Kulturkritik, die durch den Magen geht: Der redliche Radiosender FSK präsentiert heute im Metropolis mit Dawn Of The Dead von George A. Romero und Luis Bunuels Der Würgeengel zwei Filme, in denen die Wahrnehmung von Wirklichkeit auch etwas mit ritualisierter Nahrungsaufnahme zu tun hat.

Romeros zelluloidgewordener Alptraum von 1976 um die untoten Allesfresser ist der zweite Teil seiner berühmten Zombie-Trilogie. In seinem schwarzweiß gefilmten Kinodebüt Night Of The Living Dead aus dem Jahr 1968 führte der ehemalige Werbefilmer die exaltierten Splattereffekte erstmalig in der Geschichte des Horrorfilms an den Rand der Selbstreferentialität und gab damit einem ganzen Genre Auftrieb, dessen stilistisches wie inhaltliches Augenmerk in Richtung Explizität zu verschieben – Romero wollte den visuellen Overkill.

Daß solch vordergründig intellektueller Eigennutz nicht ungestraft vorübergeht, hat die hitzige Kulturdiskussion rund um die unterschiedlichen Wir-kungsthesen von visuellen Medien gezeigt, in der Romero und seine Kinokollegen selten gut wegkamen. Befürworter der direkten Bilder hingegen sahen in den oft trashigen Leinwand-Bekenntnissen zur Drastik auch die Chance, notwendige Kulturkritik zu üben. Während Romeros drittes Zombie-Werk Day Of The Dead, zur Hochzeit der italo-amerikanischen Splatter- und Trash-Kultur um 1980 entstanden, mitunter als ein hochdramatischer Gewaltexzeß gewertet wird, der sich gegen solch alte Feindbilder wie skrupelloser Forschungseifer, politischer Fanatismus und Militarismus im allgmeinen richtet, plazierte sich Dawn Of The Dead für Horror-Fachkräfte als ein brutales Zeichen für Unterhaltung und gegen Konsum gleichermaßen auf die Kinoleinwände der siebziger Jahre.

Romero legte sein Verfolgungs-Epos mitten in das amerikanische Herz von „Gucken & Kaufen“ – in die ländliche Shopping Mall. Dort sehen sich die vier Protagonisten unzähligen fleischfressenden Wiedergängern gegenüber, die an ihre Körper wollen. Die Zombies sind allerdings nicht mit einem volkstümlichen Zauberbann belegt, sondern allesamt ehemalige Menschen, die durch einen geheimnisvollen Virus infiziert worden sind und das entsprechende Krankheitsbild zeigen. Die „Gesellschaft“ hingegen sieht in den taumelnden Rednecks die Köpfe der Zombies, denn nur so können die Kannibalen gestoppt werden. Das flüchtende Quartett hingegen riecht Lunte und begreift, daß die totale Begierde in diesem Fall tödlich ist.

Bunuels Gesellschafts-Groteske Der Würgeengel arbeitet weniger drastisch, wenn sie auch gleichermaßen grausam in der Aussage ist. In seinem Porträt von 1962 trifft sich eine gutsituierte Runde zum abendlichen Dinner bei klassischer Musik, gepflegten Umgangsformen und vorzüglichen Speisen. Bunuel stiftet gleich in der Eingangssequenz Verwirrung, indem er ein- und dieselben Dinnergäste zweimal ankommen läßt, sie zweimal die Stufen und Eingangstüren durchschreiten läßt. Erst später zeigt sich der Clou dieser Dopplung: Als der Abend sich länger und länger hinzieht und aus Stunden Tage werden, wird offensichtlich, daß die Gesellschaft nicht bleibt, weil es so schön ist, sondern weil sie nicht in der Lage ist, zu gehen. Als würde ein unsichtbares, aber undurchdringliches Kraftfeld die Gäste in den Raum zwingen, fangen die einst so kultivierten an, verbal wie körperlich übereinander herzufallen.

Der Tod und die soziale Demaskierung sind dabei bloß das zweifelhafte Dessert eines durch und durch degenerierten Abends, bei dem sich das Dinner als Zustandsbeschreibung einer redundanten Gesellschaftsstruktur präsentiert.

„Der Würgeengel“: Fr, 30., 20 Uhr. „Zombies/Dawn Of The Dead“: Fr, 30. Juli, 21.45 Uhr, Metropolis. Wer an der Kasse FSK-Fördermitglied wird, erhält freien Eintritt.