Billstedt ist auch Hamburg

Buch „Neustädter“ will Einstiegstips für ungelernte HamburgerInnen geben – mit kleinen Schönheitsfehlern  ■ Von Peter Ahrens

Neu in der Großstadt – orientierungslos, hilflos, dem Mob ausgesetzt, der Anonymität preisgegeben, dunkle Mächte allüberall, die nur darauf warten, das Landei zu pellen –, die Situation kennen wir ja fast alle. Schließlich besteht die Hamburger Bevölkerung zu 80 Prozent aus Leuten, die eigentlich aus Bergneustadt, Bergkamen, Berg-Karabach und Bergisch-Gladbach stammen. Und um denen zu helfen, die am Dammtor mit dem Koffer aussteigen und von Hamburg nur das Ohnsorg-Theater aus dem Fernsehen kennen, gibt es nun das Buch „Neustädter“.

Das ist als „Cityguide und Umzugsplaner für eine transparente Stadt“ betitelt und soll alle halbe Jahre neu aufgelegt werden. Die 248 Seiten sind vollgepackt mit Telefonnummern und Adressen. Von denen sind viele brauchbar – wie Mitwohnzentralen, Umzugsservices, Sperrmüllabfuhr und Miterschutz. Ein paar wenige sind eher läppisch: Wahrscheinlich ist es, wenn man neu nach Hamburg kommt, nicht ganz so wichtig zu wissen, wo es Reinigungsmaschinenverleihe gibt. Aber was soll es: Lieber ein paar Informationen mehr als nötig, als welche, die fehlen.

Hübsch ist jedenfalls die Idee, das Ganze nach Stadtteilen aufzu-splitten. Im Vorwort ist zwar ein bißchen dick aufgetragen, wenn da steht: „Sie werden schnell merken: Sie wohnen nicht in Hamburg, sondern in Eimsbüttel, Altona oder Blankenese“, aber den Überblick übers eigene Viertel zu bekommen, ist schon hilfreich.

Hilfreich für Barmbeker, Rothenbaumer oder die Leute in St. Pauli. Gar nicht hilfreich für Menschen, die nach Horn ziehen, nach Hamm, nach Harburg oder Bergedorf. Das scheint für die Autoren nicht mehr Hamburg zu sein. Manche Stadtteile kommen einfach nicht vor, als habe man sie vom Stadtplan radiert. Nichts dagegen zu sagen, daß Blankenese adretter ist als Billstedt. Aber auch nach Billstedt ziehen Leute von auswärts. Und die können das Geld für den Cityguide sparen, wenn sie wissen wollen, wo bei ihnen der Bäcker oder der Umzugsservice um die Ecke ist. Dicker Minuspunkt für den „Neustädter“.

Pluspunkt ist auf jeden Fall der Preis. 250 Seiten mit Adressen für fünf Mark, das ist ordentlich. Der Verlag bekommt das hin, weil er im Umfeld des redaktionellen Inhalts Anzeigen plaziert und dafür auch wirbt.

Um das Ganze ein wenig anzumenscheln, sind angeblich sponatne Gespräche mit Leuten aus den Stadtvierteln eingestreut. Das wirkt, mit Verlaub, arg lächerlich. Beispiel Miriam aus Hoheluft. Der Neustädter sagt: „Hallo Miriam!“ Miriam antwortet: „Hallo!“ Neustädter fragt: „Darf ich fragen, wie alt du bist?“ Miriam sagt: „25 Jahre.“ Neustädter fragt: „Davon lebst du jetzt wie lange in Uhlenhorst?“ Miriam sagt: „Warte - da muß ich überlegen. Seit 1995. Also viereinhalb Jahre.“ Und so weiter. Der Banalität eine Gasse.

Also: Ganz nützlich das Ding, aber in der nächsten Auflage sollte man ein paar Sachen ändern, und dann könnte der Verlag gleich auch noch ein paar Kommata spendieren und dafür ein paar Ausrufezeichen einsparen. Dann klappt's auch mit der Zeichensetzung.

Hamburg Neustädter. Neustädter Verlag. Preis– Fünf Mark. Zu bekommen im Buch- und Zeitschriftenhandel und bei den Einwohnermeldeämtern.