Deutliche Differenzen zwischen Israel und Palästinensern

■ Arafat besteht auf Umsetzung des Wye-Abkommens. Joschka Fischer sieht EU als Vermittler überfordert

Jerusalem (dpa/taz) – Obwohl sowohl der israelische Ministerpräsident Ehud Barak als auch Palästinenserpräsident Jassir Arafat ihre Gespräche am Checkpoint Eretz im Gaza-Streifen „offen und gut“ nannten, zeichneten sich gestern deutliche Differenzen ab. Zwar hatte Arafat offiziell einer 14tägigen „Bedenkzeit“ zugestimmt, um Baraks Vorschläge über eine Verschiebung der im Wye-Abkommen vereinbarten Teilrückzüge der israelischen Armee aus den besetzten Gebieten zu prüfen. Dennoch erklärte er unmittelbar nach dem Gespräch mit Barak, daß die Palästinenser auf einer „akkuraten Umsetzung“ des Abkommens von Wye bestehen werden. Arafats Chefunterhändler Saeb Ereikat lehnte Änderungen am Abkommen sogar „kategorisch“ ab. Und der palästinensische Kulturminister Jasser Abed Rabbo erklärte, das Gespräch zwischen Barak und Arafat habe nichts gebracht.

Auf europäische Vermittlung können die nahöstlichen Kontrahenten in ihrem Streit jedenfalls nicht hoffen. Der deutsche Außenminister Joschka Fischer betonte gestern in Jerusalem, die Rolle der Europäischen Union im Nahen Osten werde sich weiterhin vor allem wirtschaftlich definieren. „Eine Vermittlerrolle wäre wohl eine Überforderung“, sagte Fischer nach einem Gespräch mit seinem Amtskollegen David Levy. Entscheidend sei, daß die verschiedenen Parteien direkt miteinander verhandelten: „Wir verbinden damit eine große Hoffnung, daß Israel und die palästinensische, daß Israel und die syrisch-libanesische Seite hier den Prozeß voranbringen.“

Fischer bekräftigte die deutsche Unterstützung für Israel: „Israel hat im wiedervereinigten Deutschland einen Freund, auf den es sich verlassen kann.“ Levy nannte Fischer einen „großen Freund“ Israels und dankte Deutschland für die neuen U-Boote des Typs „Dolphin“, von denen das erste am Vortag in Haifa eingetroffen war. „Deutschland hat uns immer zur Seite gestanden, auch in Zeiten, als sonst niemand auf unserer Seite war. Dafür sind wir dankbar“, sagte Levy. Am Abend sollte Fischer noch mit Barak und Arafat zusammentreffen.

Trotz derart wohlklingender Aussagen sprachen palästinensische Zeitungen gestern von einer „Krise“ in den israelisch-palästinensischen Beziehungen. Es gebe nach dem Treffen in Eretz eine „pessimistische Stimmung unter den palästinensischen Offiziellen“, schrieb die Zeitung Al-Ajjam. Arafat habe sich darüber irritiert gezeigt, daß Barak seine Vorschläge zuerst der Presse in den USA und Israel mitgeteilt habe, statt ihn als Verhandlungspartner direkt zu informieren. Auch israelische Medien schätzten die Chance, daß sich Arafat die Barak-Vorschläge zu eigen machen könnte, als gering ein. Das Treffen sei „ohne irgendwelche bedeutenden Fortschritte“ beendet worden. gb

Tagesthema Seite 3