Lokalkolorit statt Millionen

■ Am Wochenende startet die Fußball-Regionalliga in ihre letzte Saison. Die Amateure von HSV und St. Pauli wollen, der SC Norderstedt muß den Absturz in die Viertklassigkeit vermeiden

Am Wochenende wird zum letzten Mal eine Saison der Regionalliga Nord angepfiffen. Den Hamburger Vereinen – die Amateure des HSV und des FC St. Pauli sowie dem SC Norderstedt – droht damit das Ende der Drittklassigkeit. Ab Sommer 2000 nämlich kommt die zweigleisige dritte Liga: Die Nordclubs werden mit denen der Regionalliga Nordost zusammengelegt.

Und um dem elitären Kreis von maximal sechs Nordvereinen anzugehören, haben selbst Provinzvereine wie Cloppenburg Unsummen in neue Spieler investiert: Mindestens 13 Clubs wollen erklärtermaßen auch nächste Saison dabei sein – den drei Hamburger Vereinen, die mit der investitionsfreudigen Konkurrenz nicht mithalten wollten oder konnten, prophezeit nicht nur Horst Eberstein, Vorsitzender der Interessengemeinschaft der Regionalligisten, hingegen den Abstieg.

Während das für St. Pauli und die HSV-Amateure, deren Teams primär als Rekrutierungsbecken für die Profis dienen, keine Katastrophe wäre, ist der SCN – ebenso wie Holstein Kiel und vor allem Vize-Meister VfB Lübeck, der vor zwei Monaten die Relegationspiele zur 2. Liga erst in letzter Sekunde verpaßte – dazu verdammt, die Klasse zu erhalten: Die Verträge des gesamten Kaders laufen am Saisonende aus.

Um das Absinken in die Bedeutungslosigkeit zu verhindern, hat SCN-Trainer Bert Ehm deshalb eine Strategie entwickelt, die fehlendes Geld durch traditionelle Tugenden zu kompensieren sucht: „Es mag naiv klingen, aber wir wollen durch Kameradschaft und Zusammengehörigkeitsgefühl gegen die zusammengekauften Mannschaften bestehen.“

Vergangene Saison kamen im Schnitt nur 1.000 Zuschauer zu den Heimspielen des SCN. Dank der bodenständigen Einkaufspolitik der Vorstädter soll sich das ändern: „Die Leute sagen sich: 'Da spielt ein Hamburger – den kenn' ich'“, hofft Ehm. Und so wurden ausschließlich Spieler aus der Region verpflichtet. Vier kamen vom SC Concordia, andere Spieler aus Harburg oder Hoisdorf. Der bekannteste Neuling ist Matthias Reincke von den HSV-Amateuren, der sogar schon einige Minuten auf Bundesligaplätzen verbrachte.

Daß das reichen wird, um mit der Konkurrenz aus Braunschweig, Lübeck oder Osnabrück mithalten zu können, scheint auch Ehm insgeheim zu bezweifeln. Zumal er vier seiner Leistungsträger an die finanzstarke Konkurrenz verlor. Auf solch materialistisches Verhalten reagiert Ehm wie ein Lehrer, der seinen Lieblingsschüler beim Abschreiben erwischt: Er ist menschlich enttäuscht: „Bei allen Transfers war das Geld der entscheidende Grund. Was sonst?“. Thomas Goch und Stefan Siedschlag zog es zum SC Verl („Das liegt da irgendwo in Westfalen“), Dirk Jacobsen wechselte zu Holstein Kiel und Nachwuchstalent Björn Dreyer zum SC Freiburg.

Vielleicht schlägt ein anderer „Promi“ ja demnächst die andere Richtung ein: Thomas Seeliger, ein Mann mit über 200 Bundesligaspielen, trainiert zur Zeit beim SCN: „Ich würde ihn sehr gerne verpflichten“, so Ehm, dessen Stimme plötzlich einen warmen Unterton bekommt. Ein klein wenig Prominenz beim provinziellen SCN, das wäre so ganz nach seinem Geschmack. Das lokalpatriotische Konzept müßte trotzdem nicht umgeworfen werden: Thomas Seeliger stammt aus Wedel.

Christoph Ruf

Am Wochenende spielen: HSV (A) – BV Cloppenburg (Fr., 19.30 Uhr, Hagenbeckstr.), Göttingen 05 – FC St. Pauli (A) (So., 15 Uhr), SC Norderstedt – VFB Lübeck (Sbd., 14.30 Uhr, Ochsenzoller Straße)