Ein Mann, der keiner ist

■ Es ist die Einzigartigkeit, die uns ausmacht: Das Teatro Imediato feierte mit der hintergründigen Satire „Der Zentaur im Garten“ im Monsun Theater Premiere.

Die weiße Leinwand ist in rotes Licht getaucht. Dahinter schwebt eine schemenhafte Gestalt – den Kopf nach unten gerichtet – wie im Mutterleib. Zuckend windet sich ihr Abbild über das Tuch, immer schneller, im Takt eines treibenden Pianos. Der Schatten schwillt an und füllt, im Schrei erstarrend, die ganze Leinwand aus. Ein moderner Zentaur ist geboren. Staksig galoppiert das mischgestaltige Fabelwesen aus der griechischen Mythologie – halb Mensch, halb Pferd – unter der Regie von Silke Mühlenstedt durch die jüngste Inszenierung des deutsch-brasilianischen Teatro Imediato im Monsun Theater.

Der Zentaur im Garten, nach dem gleichnamigen Roman des jüdisch-brasilianischen Schriftstellers Moacir Scliar, erzählt von Fremdheit, Einsamkeit und Intoleranz. Es ist „die Geschichte eines Mannes, der keiner ist", weil die Gesellschaft seine Andersartigkeit als Mißbildung deutet. Der Zentaur, Symbolfigur aller Ausgegrenzten, erlebt auf seiner Suche nach der eigenen Identität eine Reihe von Abenteuern. Seine Eltern schämen sich seiner Mißgestalt und verbannen ihn in eine Kiste. Heimlich läßt der Vater Guedali beschneiden – die Aufnahme in die jüdische Gemeinschaft bleibt ihm trotzdem verwehrt. Vor Besuchern muß er sich im Keller verbergen. Schließlich haßt er sich selbst, seine Gestalt, sein Ich. Am Ende erwartet den Zentaur eine bittere Lektion: Es ist die Einzigartigkeit, die uns ausmacht und zugleich von den anderen Menschen trennt.

In Scliars hintergründiger Satire verbindet sich der magische Realismus Lateinamerikas mit der burlesken jüdischen Erzähltradition. Diesen originären Stil hat das Teatro Imediato mit seinem dritten Stück aufgegriffen und auf 15 szenische Bilder übertragen. Einen spannenden Wechsel zwischen konkreter Darstellung und diffuser Imagination erzeugen die minimalistischen Licht- und Schattenprojektionen, untermalt von der eindringlichen Musik Guilherme Bernsteins. Die nacherzählten Episoden wirkten dagegen flach. Reduziert auf banale Dialoge und ohne Stimmvolumen vorgetragen, fehlte es der Handlung insgesamt an Glaubwürdigkeit. Der Zentaur, eine unglückliche Figur in jeder Hinsicht, polterte atemlos durch die tragikomischen Etappen seines Lebens. Verkörpert von Silke Mühlenstedt blieb er jedoch weitgehend ein indifferentes Zwischenwesen – halb Darsteller, halb Rolle, keine greifbare Bühnen-Persönlichkeit. Überzeugend verwandelte sich dagegen die zweite Hälfte des Duos, die Brasilianerin Cecelia Amado. Die war mal Mutter, mal Schwester, mal ordinärer Zirkusvamp oder zähnefletschende Stewardess.

Ulrike Bals

Weitere Aufführungen am 30. und 31. Juli, 1., 4. sowie 6. bis 8. August, jeweils um 20.30 Uhr.