Schicke Revolution

■ „Alternative Salsa“ statt Mambo und Lou Bega: Los de Abajo vertreten die mexikanische Generation X bei den Heimatklängen

„Der sexy Sound des Sommers“, titelt der Stern, und der Spiegel sieht „Latinos bevorzugt“. Doch auch wenn einem aus dem Radio ständig Lou Bega mit seinem „Mambo No. 5“ entgegenplärrt, Ricky Martin „La Vida Loca“ beschwört oder kubanische Senioren nostalgische Sentimente wecken: Das ist nur eine mediale Simulation. In Lateinamerika selbst ist Pogo statt Mambo angesagt. Zwischen Argentinien und Mexiko hat sich in den letzten Jahren in den Metropolen ein Latin-Beat-Underground formiert, in dem sich die urbane Jugend wiederfindet. Ohne die Heimatklänge allerdings würde man davon hierzulande weiterhin nicht viel mitbekommen.

Nach Desorden Público, die das Festival eröffneten, nun also in der dritten Woche Los de Abajo, Repräsentanten der mexikanischen Generation X und Avantgarde des – nun ja, nennen wir es „Alternative Salsa“. Ihr Sound wird im Heimatklänge-Programm als Mischung aus Punk und Salsa angekündigt. „Wir haben fünf Tage Zeit herauszufinden, was das alles bedeutet“, verkündet der Ansager sibyllinisch, bevor die Band die Tempodrom-Bühne betritt.

In weißen Hemden und schwarzen Hosen, mit Gitarre, Bass und Bläser-Fraktion wirken Los de Abajo zwar zunächst wie eine recht gewöhnliche Kapelle aus Mexiko, bis auf die fehlenden Sombreros und den vergleichsweise niedrigen Altersdurchschnitt, der bei Mitte Zwanzig liegen dürfte. Ihr Speed-Salsa aber weist sie vor allem durch seine ungebremste Energie als tropische Erben von Clash aus. Fast eine Spur zu schnell legen sie los für das Publikum, das erst allmählich in Stimmung kommt, dann aber nicht mehr genug bekommen mag vom Querfeldeinritt durch Salsa, Ska, Cumbia und Rock 'n' Roll.

Der ehemalige Talking-Heads-Kopf David Byrne hat die Salsa-Revoluzzer entdeckt und für sein New Yorker Kunterbunt-Plattenlabel „Luaka Bop“ unter Vertrag genommen. An David Byrne kann man sich auch erinnert fühlen, wenn man Sänger Liber Terán beim Singen sieht, mit seiner nervösen, etwas gepreßten Stimme und den hibbeligen Bewegungen, mit denen er zur Querflöte greift.

Auch wer kein Spanisch kann, versteht, wovon Los de Abajo singen. Sie sind Sympathisanten der Zapatisten aus Chiapas und bringen mit dem Song „Die Ironie ist vorbei“ ein Ständchen für den Subcomandante Marcos. Zur Illustration ihres Anliegens haben sie einen Filmprojektor mitgebracht, der mal zusammengeschnippelte Tanzszenen aus alten Filmen, mal Nachrichtenbilder von Soldaten und Zapatisten in Strumpfmasken auf eine kleine Leinwand wirft. Die Revolution, die Los de Abajo meinen, sieht gut aus. Und wenn sie kommt, dann wird Lou Bega einer der ersten sein, der zur Rechenschaft gezogen wird. Daniel Bax

Fr. und Sa. ab 21. 30 Uhr, So. ab 16 Uhr, Tempodrom am Ostbahnhof, Friedrichshain