Ein Brust-Wunder hofft auf bessere Zeiten

■ Der DSV-Schwimmer Mark Warnecke jagt bei der EM den Weltrekord über 50 m Brust – obwohl er sich als Kämpfer gegen Doping versteht. Wie paßt beides zusammen?

Berlin (taz) – Es ist ein Pawlowscher Reflex, man kann ja nicht mehr anders. Was war das für ein Tag für die deutschen Schwimmer bei der EM in Istanbul – Hannah Stockbauer: Gold über 800 m Freistil, Stev Theloke: Gold über 50 m Rücken (neuer Europarekord: 25,66 sec), insgesamt gab es gestern fünf Medaillen. Und schon am Morgen tönte es: Fast neuer Weltrekord von Mark Warnecke! Da hilft nix, im Hirn laufen die Zweifel zusammen: Na, wenn da mal nicht nachgeholfen wird.

Die Jungstars: geschenkt. Was aber soll man von Mark Warnecke (29), dem Dopingkämpfer, halten? Im Vorlauf über 50 m Brust hat er sich bis auf zwei Hundertstel an die Weltbestzeit des Ukrainers Alexander Djaburia herangepirscht – so schnell (27,63 sec) war noch kein Deutscher.

Ausgerechnet Warnecke also, der im letzten Herbst mit DSV-Aktivensprecher Chris-Carol Bremer weite Teile der Schwimm-Elite des systematischen Dopings bezichtigt hatte. Als Folge entstand ein bißchen Aufregung im Osten Deutschlands, und gab es eine Rüge von den üblichen Verbänden: Man solle doch bitte auch „Roß und Reiter“ nennen, als wäre das ein schönes Bild für Schwimmer. Die Debatte führte in der Folge zu nichts, wie das Dopingdebatten so an sich haben.

In der Türkei ist nun Warnecke, der Nestbeschmutzer, eine Spitzenkraft der deutschen Schwimm-Männer, die seit Michael Groß kein richtig prominentes Gesicht mehr hervorgebracht haben. Warnecke wäre so einer, der die Lücke füllen könnte, und das nicht nur, weil seine Lippen so schön kräftig sind. Er gehört offenbar einer seltenen Spezies an: den Athleten, die einfach besser sind als der Rest. Die mehr Talent haben, mehr Kraft, mehr Wassergefühl. Dieser exklusive Zirkel braucht kein Doping, um Fabelzeiten zu erreichen. Zumindest sagen das die, die das beurteilen können, wie Delphin-Spezialist Bremer.

Unter den Aktiven gilt Warnekke als Brust-Wunder. Schon die Koordination der Bewegung in der Brustlage ist so komplex, daß Wissenschaftlern bei der Analyse ganz schwindelig wird. Da ziehen die Arme und drücken die Beine, da bremst der Kopf und pendelt der Rumpf auf und ab: Es ist der Kampf des Körpers mit dem Widerstand des Wassers. Warnecke setzt noch einen drauf: So unruhig wie er schwimmt keiner, und trotzdem schlüpft derzeit kein anderer so schnell durchs Wasser.

Das alles begreift der Laie naturgemäß nicht. Er kann nur zur Kenntnis nehmen, daß dieser Schwimmer anbietet, sein Steroid-Profil offenzulegen. Er kann Warnecke wünschen, daß ihm heute im Finale die Weltrekordjagd glückt. Und hoffen, daß der Medizin-Student nicht eines Tages kleinlaut wird in Sachen Doping. Rüdiger Barth