IWF gibt Rußland wieder Kredit

Erstmals seit der Finanzkrise kriegt Rußland wieder Geld. Die 4,5 Milliarden Dollar reichen knapp, um Rußlands Altschulden beim IWF zurückzuzahlen  ■   Aus Moskau Barbara Kerneck

Zum ersten Male seit dem letzten August, als Rußland in eine schwere Finanzkrise und Inflation schlitterte, gewährte der Internationale Währungsfonds (IWF) dem Land gestern wieder einen Milliardenkredit. Er beläuft sich auf 4,5 Milliarden Dollar (8,2 Milliarden Mark). Eine Rate von 640 Millionen Dollar wird sofort freigegeben und soll der russischen Regierung helfen, ihre Auslandsschulden zu bedienen. Das Land ist zur Zeit mit 150 Milliarden Dollar im Ausland verschuldet und muß allein dieses Jahr 17,5 Milliarden Dollar zurückzahlen.

Die gestrige Entscheidung bewahrt die russische Regierung also vor der internationalen Kreditunwürdigkeit. Der IWF und die Weltbank hatten während der Krise im vergangenen August ein Kreditprogramm für Rußland im Gesamtumfang von 22,6 Milliarden Dollar gestoppt, sie forderten damals Aufklärung darüber, wieweit frühere Kredite in dunkle Kanäle geflossen seien. Unabhängig von der Klärung dieser Fragen blieb dem IWF aber gar nichts anderes übrig, als die neuen Kredite zu gewähren. Er liegt allerdings noch unter der Summe von 4,6 Milliarden Dollar, die Rußland in diesem Jahr dem Weltwährungsfonds aus früheren Krediten selbst zurückzuzahlen hat. Das Geld wandert also nur von einem Konto des Fonds auf ein anderes.

Hätte er weniger gegeben und wäre Rußland dem IWF das Geld folglich schuldig geblieben, hätte der ohnehin unter internationalem Beschuß stehende Fonds sein eigenes Daseinskonzept in Frage stellen müssen. Per Statut darf er die Rückzahlung seiner Kredite weder stunden noch Umschuldungen vornehmen. Allerdings hat der IWF seinen neuen Kredit von einem besonders strikten Stabilitätsprogramm abhängig gemacht. Es wurde am 13. Juli mit der russischen Regierung vereinbart und soll dazu führen, daß das Bruttoinlandsprodukt in diesem Jahr nur noch um 2 Prozent schrumpft und nicht, wie im April prognostiziert, um 7 Prozent.

Um die Staatseinnahmen zu erhöhen, soll Moskau die Mehrwertsteuer erhöhen und darf keine Steueramnestie erklären. In der Staatsverwaltung sollen 41.000 Posten gestrichen werden. Vor der Vergabe einer jeden der sieben Tranchen des Kredites, die sich über 17 Monate hinziehen werden, soll die Erfüllung dieser Auflagen überprüft werden.

Der Vertreter Rußlands beim IWF, Michajl Sadornow, erklärte, die gestrige Entscheidung des IWF werde den Weg zu einem neuen Kredit der Weltbank in Höhe von 2 Milliarden Dollar frei machen und die Verhandlungen mit dem Londoner und dem Pariser Klub der Kreditoren über eine Umstrukturierung der russischen Auslandsschulden wesentlich erleichtern.

Außerdem könne der einfache Russe ruhiger in die Zukunft blikken, da die Zentralbank nun ihre Reserven zur Stützung des Rubelkurses verwenden könne, anstatt damit Schulden zu bezahlen. Dies bedeute, daß die Preise in nächster Zeit nicht in den Himmel wüchsen. Sadornow zufolge betrug die Inflation im Monat Juli im Vergleich zum Vormonat 1 Prozent. Zum Vergleich: 1998 waren es 85 Prozent.