Traditionssozi Klimmt versucht sich als Stürmer

■ Der Brandbrief gegen Schröder hat es wieder gezeigt: Der saarländische Ministerpräsident Reinhard Klimmt steht immer noch im Schatten seines Vorgängers. Vielleicht hat das Methode

Berlin (taz) – Reinhard Klimmt gibt es in Wirklichkeit gar nicht. Jedenfalls nicht, wenn man dem 69jährigen SPD-Haudegen Hermann Rappe glaubt. Nach der Attacke des saarländischen Ministerpräsidenten gegen Kanzler Schröder deckte Rappe im Kölner Express auf: Klimmt ist nichts als „die verlängerte Hand von Lafontaine“. Andere Schröder-Anhänger tuschelten schon vorher, der Brandbrief Klimmts erinnere doch sehr an Lafontaine.

Immerhin: Gemeinsamkeiten gibt es genug zwischen den beiden. Die politische Laufbahn des 56jährigen Klimmts ist eng mit der Lafontaines verknüpft. Sie kennen sich schon seit der Studentenzeit an der Universität Saarbrücken, wo Lafontaine Physik und Klimmt Geschichte studierte. 1966, so lautet die Sage, kamen die beiden gerade dazu, als die Jusos Wahlen abhielten. „Ich mache den Vorsitz und du den Stellvertreter“, soll Lafontaine zu Klimmt gesagt haben. Genauso haben sie es gemacht.

Dabei hatte Lafontaine immer die Rolle des Feldherrn mit dem Machtinstinkt, während Klimmt eher der Kärrner im Hintergrund blieb, der dem anderen den Rükken freihielt. Als die SPD 1985 die Wahlen im Saarland gewann, wurde Lafontaine Regierungschef, Klimmt übernahm die Landtagsfraktion. Die Partnerschaft funktionierte, auch wenn sie bisweilen unterschiedlicher Meinung waren, wie etwa bei der Änderung des Asylrechts, die Klimmt ablehnte.

Daß er der ewige Kronprinz war, nahm Klimmt gelassen und nannte sich selbst „Prinz Charles“. Als Lafontaine letztes Jahr als Finanzminister nach Bonn ging, war es doch soweit. Klimmt wurde saarländischer Ministerpräsident. Und so schlecht sah er auch nicht aus. Umfragen ergaben gute Werte, denn die Menschen in dem armen Bundesland mögen einen, der gern Fußball spielt und sagt, daß die SPD kein Bonzen-Image kriegen darf.

Neben dem volksnahen Regierungschef pflegt Klimmt auch das Bild des traditionsbewußten Sozialdemokraten. Er hat die Protokolle aller Parteitage der Sozialdemokraten archiviert. Das Schröder/Blair-Papier paßt aber ebensowenig in Klimmts Sammlung wie in sein Konzept für die Landtagswahl im September. Die saarländischen Stahlkocher und Hüttenarbeiter können mit der „Neuen Mitte“ ebensowenig anfangen wie mit dem Bonner Sparpaket.

Bewußt grenzt sich Klimmt deswegen von Schröder ab und attackiert lautstark, obwohl dies bisher eigentlich gar nicht seine Art war. Lafontaine schieße aus der Hüfte, hat Klimmt vor Jahren einmal gesagt. Er selbst sei Sicherheitsfußballer. Diese Woche sah er das schon anders: Auch ein Libero müsse manchmal angreifen. Die SPD-Linken hätten ihn gern als Stürmer. Georg Löwisch