Sozis zanken um die wahre Mitte

■  Die SPD streitet über Saarlands Ministerpräsidenten Klimmt. Thüringens SPD-Chef Dewes kritisiert ihn heftig. Rechtsaußen Rappe nennt Klimmt Lafontaines Sprachrohr. Linksaußen Larcher: „Infamer Vorwurf“

Berlin (taz) – Nach dem Brandbrief des saarländischen Regierungschefs Reinhard Klimmt gegen den Reformkurs von Bundeskanzler Schröder geht es in der SPD rund. Der thüringische SPD-Chef Richard Dewes sagte gegenüber der taz: „Wir sollten nicht der Versuchung erliegen, uns auf Kosten der eigenen Freunde in der SPD zu profilieren.“ Die Thüringer SPD habe „klar Position für Schröders Kurs bezogen“. Mit dem Sparpaket seien die „notwendigen Einschnitte“ gemacht worden.

Klimmt hatte dem Bundeskanzler in einem Brief an den SPD-Bundesvorstand „neoliberale“ Tendenzen und die Abkehr von sozialdemokratischen Grundwerten vorgeworfen. Die niedersächsische SPD-Landesvorsitzende und Bundesbildungsministerin Edelgard Bulmahn, die sich selbst zur Parteilinken rechnet, warf Klimmt vor, er liege mit seiner Meinung, daß die soziale Gerechtigkeit von der Bundesregierung ausgemustert werde, falsch.

Auch der niedersächsische Ministerpräsident Gerhard Glogowski bezeichnete Klimmts Kritik an der Politik der Bundesregierung als falsch: „Das ist ungerecht, was er macht.“ Glogowski erwartet in den kommenden Monaten eine breite Programmdiskussion, die eine Neuorientierung der Partei ergeben werde. Dabei werde sich der Spar- und Reformkurs des Kanzlers als alternativlos erweisen.

Hermann Rappe, ehemaliger Bundestagsabgeordneter und Rechtsaußen in der Partei, tönte: „Ministerpräsident Klimmt fungiert jetzt als Sprachrohr von Oskar Lafontaine.“ Der Bundestagsabgeordnete und Sprecher der Parteilinken, Detlev von Larcher, bezeichnete diese Vermutung gegenüber der taz als „infam“: „Rappe weiß genau, daß Klimmt ein eigenständig denkender Mensch ist.“ Hermann Rappe versuche den saarländischen Ministerpräsidenten „in die linke Ecke zu schieben“. Von Larcher sagte, Klimmt treffe mit seiner Kritik am Kanzler „die Stimmung an der Parteibasis ziemlich genau“. Auch der Parteiratsvorsitzende Rüdiger Fikentscher nahm den saarländischen Regierungschef gegen Kritik in Schutz. Es sei wichtig, daß Sozialdemokraten immer wieder betonten, daß die soziale Gerechtigkeit eines der wichtigsten Standbeine der Partei sei.

Auch Juso-Chef Benjamin Mikfeld wertete Klimmts Brandbrief an den SPD-Vorstand als richtigen Beitrag zur Debatte um die Zukunft der Sozialdemokratie. Er hoffe, daß die Parteiführung dieses Warnsignal ernst nehme. Tina Stadlmayer

Interview Seite 6