■ H.G. Hollein
: Westfalenglück

Die Frau, mit der ich lebe, hat eine Freundin, die kürzlich umgezogen ist. Das sei ihr gegönnt. Nur wohnt sie jetzt Parterre und hat eine Terrasse zum Hinterhof. Und das heißt, sie kann grillen. Ich hatte H. Zeit unserer Bekanntschaft eigentlich immer für eine moderne junge Frau gehalten. Jetzt erwartet uns bei jedem Besuch ein beschürztes Wesen, das einen mit Grillzange, Spiritussprühflasche und den Worten „kann gleich losgehen“ begrüßt. H. hat sich sogar soweit prostituiert, daß sie in den ADAC eingetreten ist, um über ihre Eltern in den Besitz des neuesten Gartengrillmodells zu gelangen. Das gab es nämlich als Werbeprämie. H. wurzelt eben immer noch zutiefst im Westfälischen. Da ist Grillen ein gesellschaftliches „must“. Ich muß das wissen, habe ich doch selbst die Sommer meiner Kindheit im Dunstkreis von Pfannengyros, Karbonaden und Thüringern verbracht. Mich hat das nachhaltig traumatisiert. H. offenbar nicht. Die Schürze voller Fettspritzer, im Mundwinkel die Zigeunersauce, bruzzelt sie endlich wieder selig vor sich hin. Daß unmittelbar neben ihrer Terrasse die Mülleimer müffeln und der Grillplatz im Schatten einer kotintensiven Elsternkolonie liegt, tut ihrem En-thusiasmus keinen Abbruch. „Schmeckt's? Hauptsache!“ ist denn auch H.s konversationelles Leitmotiv bei derart lauschigen Zusammenkünften. Und dann nicken alle tapfer, nur um umgehend mit dem Bescheid gestraft zu werden „is' noch reichlich da“. Wenn sie dann mit glänzenden Augen an die Verteilung der nächsten Lage Grillgut geht, kann ich mich des Verdachts nicht erwehren, daß H.s Persönlichkeit im tiefsten Inneren von einer sadistischen Grundnote beherrscht wird. Die Gefährtin ist da auch keine große Hilfe. Schlug sie doch vor, zu H.s anstehendem Dreißigsten für einen Elektrogrill zusammenzulegen. Irgendwann sei der Sommer ja vorbei. Ich finde, die Gefährtin hat schon bessere Ideen gehabt.