Kutips zum Wochenend heute mit Nachrichten aus der ß-losen Zukunft

Wertes Herrlein, gewogenes Frauenzimmer, Sie haben eine denkwürdige Ausgabe dieser Zeitung vor Augen. Denn am Montag wird auch die taz der „Woche“ oder der „Zeit“ folgen und mit den Presseagenturen auf die neue Rechtschreibung umstellen. Insgeheim auf Ihr Verständnis und Ihre Aufgeschlossenheit hoffend werden wir uns gemeinsam auf das Setzen und Nicht-Setzen von stilistischen Kommata freuen und uns daran gewöhnen, daß daß dann nicht mehr daß, sondern dass geschrieben wird. Die erweiterten Partizipialsätze fortan eher vermeidend, kommen wir nicht umhin Ihnen den Geist der Reform nahezubringen und der spricht: „Mit mir wird nicht alles anders, aber vieles einfacher und macht im Zweifel einfach das, was ihr wollt!“

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Die Aktivitäten der Konkurrenz haben uns aus der quirlig-wuseligen Kulturredaktion der taz bremen jedoch nicht ruhen lassen. So können wir es nicht tatenlos hinnehmen, dass der Nabokov-Experte und „Zeit“-Rechtschreibreformer Dieter E. Zimmer als neuer Konrad Duden in die Geschichte des 21. Jahrhunderts eingehen will. Um die AltphilologInnen unter den LeserInnen von Deutschlands größter Wochenzeitung nicht zu vergraulen hat er die Reform reformiert und besteht unter anderem auf der alten Trennung von Fremdworten (Bsp.: Päd-ago-gik statt Pä-da-go-gik). Wir finden, dass ein Mensch, der seinen zweiten Vornamen mit einem Buchstaben abkürzt, kein Recht auf so viel Ehre hat. Begriffe wie „Regelwerk nach Dieter E. Zimmer“, „Moderationsform nach Johannes B. Kerner“ oder „Vollwerternährung nach Veit M. Glockgießer“ klingen zu kompliziert und sind dem Geist der Reform zuwider.

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Von wachsendem Reformeifer gepackt erinnern wir uns der Geschichte dieses Blattes als linke und radikale tageszeitung (alternativ: linkes und radikales tageszeitungsprojekt). Obwohl in dieser Redaktion längst auch CDU-WählerInnen RedakteurInnen werden können, reißen wir die Übel an der Wurzel aus. In lüsternen Momenten glotzt Heinrich M. Breder fortan aufs Dekoltee, bevorzugt Hermine L. Schröder Fischstäbchen mit Ketschapp, genehmigen sich die beiden ein Fläschchen Konjak und schwören Stecken, Stab und Stängel auf Kiesch, Schewappschischi und auf Spagetti mit Korned Bief, Zukini, Roten Paprika und Kianti-Soße. Inzwischen von Ginness und Blu Kurassao angeheitert ringen sie sich zum linkesten und radikalsten Schritt durch: zur Abschaffung des ß! (Die quirlig-munter-schlaue Kulturredaktion der taz bremen informiert: Das ß war eine Ligatur aus dem alten s und dem z. Eine Ligatur ist ein Zusammenschmelzen von zwei Buchstaben.)

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Kurz vor ihrem Zusammenschmelzen erzählten sich Hermine L. Schröder und Heinrich M. Breder folgende Geschichte aus der ß-losen Zukunft. Sagt eine Mutter zum Kinde: Du musst deinen Teller mit Klöen aber ganz aufessen, sonst wirds Wetter allmählich grässlich.“ Antwortet das Kind: „Ich muss gar nicht und halte aus Körperbewusstsein Ma. Gestern Mittag a ich die hässlichen Sutschini auch nicht auf, doch schlielich blieb das Wetter hei und verlässlich.“ taz