Goldener Galopp zur Marskolonie

Winnetou-Pathos, Jet-set-Romantik und seltsam provinzieller Internationalismus: Dauerfisch schotten sich mit ihren erlesenen Elektronik-Sounds gegen die gemeine Berliner Ausgehgesellschaft ab  ■   Von Susanne Messmer

Wie sie da im mondänen Interviewraum ihres Labels Bungalow sitzen: sehr schick, diskret kultiviert und kosmopolitisch sieht das aus. Zwei Jungs aus gehobener Schicht, so scheint es, die in den sicheren Resten unserer Wohlstandsgesellschaft groß geworden sind. Dauerfisch aus Berlin und Wiesbaden, das sind Achim Treu und André Abshagen. Gerade erschienen ist ihr bei Bungalow zweites, inoffiziell ungefähr sechzehntes Album „Crime of the Century“, benannt nach Supertramps gleichnamiger Platte.

Es ist die Liebe Dauerfischs zum Style, der goldene Galopp durch den Nylonglitzer der Siebziger, Las-Vegas-Retro, Winnetou-Pathos, Jet-set-Romantik und Agentenfilm-Coolness, Mister Rossi und Mundharmonika aus „Unsere kleine Farm“, der so besticht.

Die Songs sind mit Harmoniesucht gesättigt: Wie auf dem Vorgängeralbum wird auch bei „Crime of the Century“ ein schillerndes Spektrum selbstgebastelter und geklauter, aber sehr erlesener Timbres geboten: ein weiterer licht- und luftdurchlässiger, ultramariner Soundtrack zum ersten Flug einer Raumkapsel durchs weite All – voller schöner Pioniere, die im Auftrag der Besiedelung der ersten humanoiden Marskolonie reisen. Es ist nicht neu, macht aber Spaß und erinnert darin auch an ihre französischen Kollegen Air. Dauerfisch haben sich 1985 gegründet, als die Neue Deutsche Welle passé war und niemand mehr etwas von deutschsprachigen Texten hören wollte.

Ihr aparter deutschsprachiger Zitatpop mußte sich schon deshalb den Vergleich mit Max Goldt und seinen Foyer des Arts gefallen lassen, weil sie noch vor der Geburt des Nonsens-Groove im Underground, also vor Bands wie Milch und Das Neue Brot und deren Wiederentdeckung durch Andreas Dorau und Schorsch Kamerun solo, allein auf weiter Flur standen und niemand sie wollte.

Jetzt, wo das anders ist: Trotz schöner Zeilen wie „Die Akten fielen, und zwischen den Dielen kann man nun schon den Winter fühlen“ verzichten Dauerfisch auch aufgrund einer Aversion gegen deutschsprachiges HipHop-Geplapper mehr und mehr auf deutsche Texte. Vielleicht hat es aber auch mit dem seltsam provinziellen Internationalismus des Bungalow-Umfelds zu tun, dem Mut zum Trash, Easy Listening und Japanbegeisterung, in dem Dauerfisch auch marketingtechnisch endlich ein Zuhause gefunden haben.

Nach wie vor aber schotten sich die imaginären Weltmänner Dauerfisch von der Berliner Ausgehgesellschaft ab und beharren auf ihrem frickelelektronischen Ansatz. „Jeder schreibt allein in seinem Studio einen Song, macht ein Demo, dann schicken wir das DAT so lange hin und her, bis beide zufrieden sind“, erzählt Treu. Das Image ihrer Introvertiertheit pflegen sie auch, indem sie auf der Homepage verbreiten, Treu wolle „vor dem Europäischen Gerichtshof in DenHaag ein weltweites Verbot für Bodypainting in Techno-Musikvideos durchsetzen“, während Abshagen versuche, „den perfekten Platz im Studio für seine Hitech-Kohlefaser-Hängematte zu finden“.

Man kann Dauerfisch einerseits vorwerfen, ihre Musik sei reines Cocktailbar-Geklingel ohne jeglichen Irritationsgehalt. Andererseits ist es auch ganz schön gewinnend, daß sie so sehr auf Unaufdringlichkeit beharren. Ganz am Ende des Interviews offenbaren sie ihre sehr bestrickende Opposition gegen weltverbesserwisserische Musik: „Ich mag Experimente, aber Krach zu machen ist viel einfacher, als Songs zu schreiben. Lustig, unterhaltsam und positiv zu sein ist viel schwerer, als einfach zu beeindrucken.“

Dauerfisch und DJs Wurstwasser und Blutgrätsche, heute, 22 Uhr, im Privatclub im Keller der Markthalle, Pücklerstr. 34