Alle wollen zu Hertha – niemand will Sitze schrauben

■ Helfen Sie der Stadt! Eine Aktion der T.A.Z. Baulogistik GmbH blieb erfolglos. Keine Behörde wollte fleißige Monteure für den Einbau der Plastikschalen freistellen

Nichts bewegt die Berliner und Berlinerinnen mehr als die Frage, wie viele Plasteschalen bereits im Olympiastadion eingebaut sind. Nur selbst mit anpacken – das wollen die Hauptstädter nicht. Die Bilanz eines Hilfeaufrufs der T.A.Z. Baulogistik GmbH fiel gestern sehr ernüchternd aus. Niemand erklärte sich bereit, der „kleinen, mittelständischen Firma schnell und unbürokratisch mit Personal“ auszuhelfen. Die T.A.Z. Baulogistik GmbH habe überaschenderweise den Auftrag erhalten, sich am Einbau der Schalensitze zu beteiligen. „Helfen Sie!“, so der Appell an die nicht gerade für ihre Hilfsbereitschaft bekannten Berliner.

Vergebens. „Wir haben andere Aufgaben zu erfüllen“, erklärte ein Sprecher des Bundesgrenzschutzes. „Wir können nicht mitmachen.“ Nicht einmal gegen gute Bezahlung. Allerdings hätte der BGS-Mann gern den Ruf der Behörde aufgebessert: „Das wäre eine schöne Aktion, wir hätten sofort einen Stein im Brett bei allen Hertha-Fans.“ Zweifel auch beim Technischen Hilfswerk. Es liege „keine Notfallsituation vor“, behauptete eine Sprecherin. Um zu helfen, müßten „uns höhere Stellen offiziell anfordern“.

Die Justizvollzugsanstalt Tegel zeigte sich ebenso verschlossen. „Kräftige Jungs haben wir hier genug, aber wer soll die denn da bewachen?“ sorgte sich ein Sprecher. Und im Rathaus Spandau hieß es: „Gehen Sie doch nach Charlottenburg, die sind dafür zuständig.“ Kein Erfolg hatten die Personal-Akquisiteure auch bei der Jobvermittlung des Arbeitsamtes Steglitz. „Auweia, wir können Ihnen nur Sekretärinnen anbieten.“ Mehr Chancen habe man vielleicht am Samstag morgen auf dem Großmarkt in der Beusselstraße. „Da lungern immer genug Arbeitsuchende herum.“

Jobsuchende hat das Lichtenberger Sozialamt zur Genüge. Nur zu Hertha in den Westen dürfen die nicht. Für die „Hilfe zur Arbeit“ müßte „Ihre Firma schon ein gemeinnütziger Verein sein“, hieß es. Und weiter östlich: Ob Angestellte des Bezirksamtes Hellersdorf beim Stühleschleppen dabei sein dürfen, könne der Bürgermeister erst am Montag entscheiden. „Wahrscheinlich wird das nix.“ Nicht gerade eifrig auch die Banker von der Landeszentralbank. „Natürlich haben wir einen Personalüberhang. Aber dafür stellen wir unsere Leute nicht zur Verfügung“, sagte eine Personalmanagerin.

Auch die Hertha-Konkurrenz von Tennis Borussia Berlin war nicht begeistert. „Wir brauchen hier jeden Mann“, so ein Sprecher. Jetzt seien Ferien, da habe man selbst nicht „einmal genügend Balljungen“. Ein Argument, das auch die Hertha-Freunde von den Berliner „Republikanern“ bemühten, die gern Flugblätter vorm Stadion verteilen. „Viele von uns sind im Urlaub. So kurzfristig können wir gar nichts ausrichten.“

Die Headhunter von der T.A.Z. sind ratlos. Wo sind nur die 50 Berliner, die täglich in der Bauverwaltung anrufen und anbieten, sofort mit der Bohrmaschine ins Stadion zu ziehen? Herr Klemann, übernehmen Sie! Richard Rother