Der Mönch im Cockpit

■ Formel-1-Fahrer Frentzen steht seit zwei Tagen im Dienst der Spalt-Tablette

Reilingen (taz) – Am Sonntag wird auf dem Hockenheimring der neunte Lauf zur Formel-1-Weltmeisterschaft ausgetragen. Wegen der beinbruchbedingten Pause Michael Schumachers steht der Mönchengladbacher und „sympathische Deutsche“ Heinz Harald Frentzen, „von seinen Fans liebevoll ,HHF‘ genannt“ (Pressemappe), im Mittelpunkt des „Medieninteresses“. Die Fans stehen draußen vor der Tür des Reilinger Preßspanplattenhotels WalkersHof, Hockenheimer Str. 86.

Fachjournalist Winnat und ich kauern innen zwischen ARD-Kappen, RTL-Chargen, bedeutungsheischend ihre Handys begrunzenden Motorsportspezialisten und parasitären Geheimnis- und Informationsträgern und -krämern.

Vier Vorderwalzenrillen, fragt die ARD, seien die ein Problem hinsichtlich des nordbadischen Hochgeschwindigkeitskurses? HHF blickt ins Leere. Er rollt die runkeldunklen Pupillen und runzelt die Rennfahrerstirn. „In Hokkenheim muß der Reifen nicht so sehr arbeiten“, erklärt HHF. Der RTL-Kameramann verliert mechanischen Grip, weil ihm Kollegenschweine vor die Linse tapsen, und brüllt, man solle sich „verpissen“ etc. Herr Winnat erteilt ihm eine Stop-and-go-Strafe.

Hier tagt und talgt die Mopsigkeit. Die ignorantesten, flegelhaftesten Vertreter der Branche rangeln um Credibility und Importancy. HHF steht nicht unter Strom, sondern unter Drogen. Die Firma Spalt wirbt ab sofort mit einem Helldriver, dessen 4. Rang in der Fahrerwertung „kein Grund für Kopfschmerzen“ sei. Nö. „Siebzig Jahre dauert bereits die Erfolgsgeschichte von Spalt“, kübert der Firmenvertreter, und jetzt heiße es: „Freie Fahrt für zwei starke Partner in Richtung Weltmeisterschaftsrang drei“.

HHF krault selbstvergessen-liebevoll seinen Bauch. „Heinz-Harald Frentzen und Spalt passen perfekt zusammen, schließlich erwartet man von beiden Schnelligkeit“, raunt der Repräsentant über „das erste im Motorsport aktive Arzneimittel“. HHF kratzt das demolierte Bein – oder den Sack?

„Die Spalt-Pille und Formel 1“ flüstert Winnat, „es geht um schnellen Wirkungseintritt“, um „Kernkompetenz“ und „Zuverlässigkeit“. Mr. Spalt brilliert: „Wir verhelfen der Marke Spalt zu neuem Temperament“, der Mönchengladbacher nickt und nickt ein.

HHF könne dem Kerpener MS ja Spalts schenken, treffe er ihn, schäkert Don Spalt, die ARD resümiert, es sei „ziemlich vergagt hier, aber schlecht“, der Vortragende „hat wohl Kopftripper“, wogegen keine Arznei hilft.

HHFs Manager bringt die Interviewrede auf „das Thema Schmerzen, psychische und physische“ Formel-1-Hirn- und -Arschschmerzen. Der Jordan-Pilot sinkt wieder etwas tiefer in sein Ich zurück und kontert die Erkundung „Wenn man nach einem Fehler zurück in die Box kommt, dann hat man Schmerzen, oder?“ durch ein buddhistisch fehlerfreies „Nö“.

„Wie geht man mit Schmerzen beim Fahren um?“ will Mister Moderator wissen. „Ja, ist jetzt einfach für mich zu sagen: 'ne Spalt nehmen.“ Das Hinterzimmer lacht. HHF schluckt und schluckt keine Spalt. Gelesen habe er, Tibeter Mönche könnten sich so sehr konzentrieren, „daß man sie ohne Schmerzmittel operiert“, und er konzentriere sich im Cockpit so sehr, daß man ihn nicht an seinem Knie operieren muß.

Gerne würde er, der „ein gespaltenes Verhältnis zum Schmerz“ unterhalte, die unterhaltungssüchtigen Presselemuren ins lädierte Knie ficken. Doch HHF ist freundlich und verfügt über eine hockenheimspezifische „Top-end-power-Maschine“. Das macht die Sache leichter. Die Schnittchen waren auch Mist, ihr „Grip-level ausreichend“ (HHF).

Möge er die Schumacher-Vergleiche noch hören? „Ihr könnt ruhig fragen, wenn ihr euch nicht selbst dabei dumm vorkommt.“ Da haben wir's gelassen. Wir schalten ab. Schmerz, laß nach, bitte. Jürgen Roth