Stoibers ruinöses Ost-Engagement

■  Aufbau-Ost auf bayerisch: Ministerpräsident Stoiber setzte nach der Wende politisch durch, daß eine staatliche bayerische Wohnungsbaugesellschaft in riskante Geschäfte investierte. Stoiber: „Habe keinen Freibrief erteilt“

Berlin (taz/dpa) – Der bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) hat sich gestern erstmals persönlich und öffentlich gegen den Vorwurf gewehrt, er sei für die Millionenverluste der Landeswohnungs- und Städtebaugesellschaft (LWS) mitverantwortlich. Die Entscheidung, sich mit der staatlichen LWS im Bauträgergeschäft zu engagieren, sei „keineswegs ein Freibrief für waghalsige Immobiliengeschäfte gewesen“, schob er die Verantwortung auf das Management des Staatsunternehmens ab. Die SPD erklärte, sie werde Stoibers Rolle in einem Untersuchungsausschuß im Herbst beleuchten.

Stoiber hatte Anfang der 90er, damals noch als Innenminister, gegen den Widerstand des Finanzministeriums durchgesetzt, daß die LWS in Bauprojekte in Thüringen und Sachsen investierte. Dort setzte die Gesellschaft Millionen in den Sand – bis Ende letzten Jahres 367 Millionen Mark. Stoiber erklärte, daß er zu der Entscheidung, im Aufbau Ost zu investieren, weiterhin stehe. Er kündigte eine Prüfung an, ob die Kontrollmöglichkeiten für die mehr als 30 staatlichen Beteiligungsgesellschaften verbessert werden müssen.

Der Freistaat ist an der Wohnungsbaugesellschaft indirekt über die Landesanstalt für Aufbaufinanzierung und die Bayrische Landesbank beteiligt. 1991 entschloß sich das Unternehmen, auch in Thüringen und in Sachsen zu investieren. Doch Büros, Wohnungen und Läden erwiesen sich als nur schwer vermietbar oder unverkäuflich. Mit Projekten in Chemnitz, Plauen und Zwickau wurden 94 Millionen Verluste eingefahren. Ab 1995 wurden nur noch rote Zahlen geschrieben: 59 Millionen (1995), 57 Millionen (1996), 118 Millionen (1997), 18 Millionen Mark (1998).

Stoiber erklärte, daß für den Kauf von Grundstücken, den Bau und die Verwertung ausschließlich die Organe der LWS, besonders Geschäftsführung und Aufsichtsrat, verantwortlich gewesen seien. „Die Unterstellung, ich sei über die einzelnen Immobiliengeschäfte stets informiert gewesen, ist absurd.“ Aus Dokumenten, die dem Landtag vorliegen, geht jedoch hervor, daß Stoiber von Alfred Sauter, der von 1993 bis 1998 Aufsichtsratsvorsitzender war, über den Niedergang der Firma detailliert informiert wurde.

Schon seit 1997 beschäftigt sich der bayrische Rechnungshof OHR mit der finanziellen Schieflage der LWS. Ein Prüfungsbericht soll aber erst im September dem Landtag vorgelegt werden – in nichtöffentlicher Sitzung. Schuld an dem Finanzdebakel sei der langjährige Aufsichtsratsvorsitzende Sauter, war in den letzten Tagen aus den Reihen der CSU zu hören. Schon Mitte Juli sprach der Finanzminister Kurt Faltlhauser von „schwerwiegenden Fehlern“ des jetzigen Justizministers. Der Aufsichtsrat sei offenbar regelmäßig von der Geschäftsführung und den Wirtschaftsprüfern mit „optimistischen Berichterstattungen bedient“ worden.

Auf einer Sondersitzung des Haushaltsausschusses am Donnerstag hatte das Finanzministerium die Flucht nach vorn angetreten und Briefwechsel vorgelegt, nach denen Stoiber die treibende Kraft der risikoreichen Expansion war. Innenminister Beckstein nahm den abwesenden Stoiber in Schutz: „Es wäre ein Schildbürgerstreich, wenn Bayern sich aus dem Aufbau Ost zurückgezogen hätte.“ Finanzminister Faltlhauser machte in erster Linie die „massiv überforderten“ Geschäftsführer der LWS für die Millionenverluste verantwortlich. Zu klären sei, „ob der Aufsichtsrat seine Pflichten korrekt erfüllt hat.“

Sauter trat gegenüber der taz Rücktrittsspekulationen entgegen: „Ich stehe zu meiner Verantwortung, ich werde das Ganze durchstehen.“ Die Opposition war mit dem Ergebnis der Sondersitzung nicht zufrieden. Es müsse nun genau geklärt werden, wie weit Stoiber eingebunden gewesen sei, erklärte die Haushaltsexpertin der Grünen, Emma Kellner. Persönliche Bereicherung wird Stoiber nicht vorgeworfen. „Stoiber will Macht, nicht Geld“, so die Einschätzung von Emma Kellner. Georg Gruber