Mißbrauch: Knast für Knastleiter

■  Das Landgericht Baden-Baden verurteilte den ehemaligen Leiter des Frauengefängnisses Bühl zu drei Jahren Haft wegen sexuellen Mißbrauchs. Angebliche Impotenz nicht erwiesen

Baden-Baden (taz/dpa) – Eine Szenerie wie aus einem schlechten Porno hatte das Landgericht Baden-Baden in den letzten Tagen zu begutachten. Wegen „Bestechlichkeit in Tateinheit mit sexuellen Mißbrauch“ ist Roland Kist, ehemaliger Leiter des Frauengefängnisses Bühl bei Offenbach, heute zu drei Jahren Haft verurteilt worden. Damit gilt als erwiesen, daß der 54jährige Justizbeamte unter anderem eine 29jährige Gefangene in mehreren Fällen zu sexuellen Handlungen veranlaßt habe. Im Gegenzug ermöglichte er ihr Telefonate ohne richterliche Genehmigung. Der Verteidiger hatte auf Freispruch plädiert. Er legte medizinische Gutachten vor, die die angebliche Impotenz seines Mandanten belegen sollten. Gegengutachten hatten dies allerdings zumindest für den fraglichen Zeitraum zwischen August 1997 und Juni 1998 in Zweifel gezogen.

Die gambische Zeugin hatte vor Gericht angegeben, daß Kist ihr die Telefonate angeboten habe und daraufhin Sex verlangt habe. Sie habe dies zunächst geduldet, weil er ihr versprochen habe, sie zur Freigängerin zu machen. Als er das Versprechen nicht einlöste, habe sie Hilfe bei anderen Gefangenen, den Angestellten des Gefängnisses und einem Anwalt gesucht. Alle hätten sie davor gewarnt, daß ihren Vorwürfen kein Glauben geschenkt werden würde. Erst nach ihrer Verlegung in eine andere Strafanstalt hatte eine Sozialarbeiterin den Fall vorangetrieben.

Im Verlauf der Verhandlung mehrten sich die belastenden Aussagen: Angestellte erklärten, daß die sexuellen Beziehungen ihres Chefs zu mehreren Gefangenen „ein offenes Geheimnis“ gewesen seien. Der Detailreichtum der Erzählungen, zum Beispiel über die Beschaffenheit von Kists Unterhose, habe sie davon überzeugt, daß die Vorwürfe glaubwürdig seien, berichtet eine Angestellte. Ihre Kollegin gab an, sie habe den Anstaltsleiter mit einer anderen Gefangenen „in einer eindeutigen Situation“ überrascht. Keine der Frauen hatte sich jedoch getraut, die vorgesetzte Dienststelle zu benachrichtigen. Die guten Beziehungen ihres Chefs zu seinen Vorgesetzten seien bekanntgewesen, man habe Repressalien befürchtet. Auch ehemalige Gefangene bestätigten Annäherungsversuche des Anstaltsleiters, der sich seinerseits als Opfer einer „Verschwörungstheorie“ dargestellt hatte.

Heide Oestreich