Bunkerbilder von Joachim Weiss

Über dem Getriebe des Sommerdoms thront massig Hamburgs größter erhaltener Hochbunker. Es ist es ein unfertiger Bau, denn keiner der Bunker sollte am Ende so nackt dastehen: Die konservative Ästhetik des Dritten Reiches hatte geplant, sie mit Ziegeln und Bruchsteinen zu verkleiden und mit historisierenden Prachteingängen zu versehen. An der Fassade des 1942 errichteten „Hochhaus 1“ an der Feldstrasse, sind jetzt neun andere Bunker zu sehen, relativ klein, trotz der fotografischen Riesengröße von 13 mal 15 Metern.

Die Installation des in Pforzheim geborenen Joachim Weiss ist das Ergebnis einer langwierigen Recherche. Hamburg hat mit 117 Stück die meisten Hochbunker in Deutschland. Mehr als 60 davon hat der Hamburger Fotograf von allen Seiten abgelichtet und neun davon mit der Sachlichkeit der Becher-Schule schabloniert und zum Großabzug ausgewählt.

Auch wenn er dabei oft so lange vor den Objekten gearbeitet hat, dass neugierige Passanten ihn mit Erzählungen überhäuften, interessierte ihn nicht das Innenleben dieser Gemäuer, sondern die Umdefinition des Unortes zur Projektionsfläche. Und ihn irritierten die Werbetafeln vor diesen Kriegsrelikten: „Zu gut um wahr zu sein“ oder „Zuhause – Junges Wohnen“ ist da zu lesen. Denn im unteren Teil gehören die Bunkerwände zum Alltag. Und weiter oben hindert nur die Unzugänglichkeit die Werbeindustrie und die nicht minder auf Mitteilung versessenen Sprayer an der vollständigen Vereinnahmung dieser Flächen für ihre Zwecke. So wird die meterdicke und nutzlose Präsenz der Bunker in der gänzlich zweckbestimmten und durchkommerzialisierten Stadt zu etwas ganz anderem, als je gedacht: Die Betonberge werden im romantischen Sinne zum Abglanz des Erhabenen und finden ihren Vergleich in der Ahnung ferner Gebirgswände. Denn die Bunker sind Stellen im Stadtgefüge, an denen der Einbruch einer naturgleich sich dem heutigen Nutzdenken entziehenden Leerform geduldet werden muß. So gesehen hat ein Bunker Charakter, vielleicht keinen guten, aber immerhin einen starken. Inzwischen interessiert sich sogar der Denkmalschutz für die Fossilien. Und weder ein Mausklick noch Tonnen von Dynamit schaffen sie aus der Welt. Hajo Schiff

Medienbunker, Hochhaus 1, Feldstrasse 66, noch bis 16. August