Kongreß und Gegen-Kongreß

■ Verband Psychiatrie-Erfahrener und Israelitische Vereinigung gegen Psychiatrie-Mißbrauch halten eine Gegenveranstaltung ab

Vorsorgemaßnahmen und neue Therapieformen stehen im Zentrum des 11. Weltkongresses für Psychiatrie, der vom 6. bis 11. August erstmals in Deutschland veranstaltet wird. Der Weltverband für Psychiatrie (WPA) rechnet bei dem Treffen in Hamburg mit mehr als 10.000 Experten von allen Kontinenten. Nach Angaben der Veranstalter wurden in der Hansestadt noch nie so viele Teilnehmer zu einer Tagung erwartet. Das Motto des Kongresses lautet „Psychiatrie an der Schwelle des neuen Jahrtausends“.

Parallel zum Weltkongreß organisiert der Bundesverband Psychiatrie-Erfahrener e.V. (BPE) gemeinsam mit der israelischen Vereinigung gegen Psychiatrie-Mißbrauch (IAAPA) vom 6. bis zum 8. August eine Gegenveranstaltung. Im pädagogischen Institut der Hamburger Universität stehen dabei Vorträge und Filme auf dem Programm. Die Organisatoren werfen der WPA vor, einen reinen Expertenkongreß ohne ausreichende Beteiligung Betroffener geplant zu haben und den Bereich Psychiatrie im Nationalsozialismus nicht ausreichend zu thematisieren.

Das Programm des Weltkongresses im Congress Centrum umfaßt mehr als 3.000 wissenschaftliche Vorträge von Referenten aus allen Teilen der Welt. Auf dem Programm stehen außerdem rund 350 Symposien, Workshops, Kurse und Diskussionsrunden. Im Mittelpunkt stehen neue therapeutische Behandlungsmöglichkeiten mit Psychopharmaka, aktuelle Erkenntisse über psychische Krankheiten wie Depression, Schizophrenie, Angst- und Eßstörungen sowie Suchterkrankungen. Außerdem geht es um die psychische Versorgung von Opfern politischer Gewalt und Vertreibung. Thematisiert werden ebenso Vorbeugemaßnahmen und ein Anti-Stigma-Programm, um der Diskriminierung von psychisch kranken Menschen entgegenzuarbeiten.

Die Entscheidung für Deutschland als Kongreß-Ort ist nach Ansicht des Vorsitzenden des Organisationskomitees und Leiters der psychiatrischen Klinik der Universität Düsseldorf, Prof. Wolfgang Gaebel, ein positives Signal. Es zeige, daß Deutschland trotz des systematischen Mißbrauchs der Psychiatrie während des Nationalsozialismus wieder als Kongreß-Standort akzeptiert werde.

Die WPA (World Psychiatrist Association, New York) umfaßt 110 nationale psychiatrische Gesellschaften, die mehr als 140.000 Psychiater weltweit vertreten. lno