Ein schnurrbartunterstütztes Lächeln

Seitdem Elvis tot ist, hängt ein Trauerflor an der Gitarre: Im Luftschloß des BKA spielten Jacky & His Strangers „Marina, Marina, Marina“. Und dann ein Lied für den Bodo und dann was von Bill Haley  ■   Von Detlef Kuhlbrodt

Berlin ist schön, und viel mehr Berlin als dieser ganze Mitte-Hype (sind wir nicht alle so ein bisschen Mitte?) ist Jacky Spelter, der unverwüstliche Rock-'n'-Roller aus Neukölln, der Samstag Nacht im „Luftschloß“ des BKA am Rande des Palasts der Republik in seinen 72. Geburtstag hineinfeierte beziehungsweise hineingefeiert wurde.

Vor fünfzig Jahren stand der damals noch nicht ganz so schwergewichtige Hesse zum ersten Mal auf der Bühne, 1953 gründete er die stets schwarz gekleideten „Strangers“, spielte im Star-Club mit den Beatles im Vorprogramm (was ist übrigens aus Tony Sheridan geworden?), schüttelte Elvis mal in Friedberg die Hand, hatte einen Rock-'n'-Roll-Hit, der sich millionenfach verkaufte („Oh, Lonesome Me“), pflegte in den Fünfzigern und Sechzigern ganze Nachtklubs zum Sekt einzuladen, und die Go-go-Damen bekamen leckere Pralinen.

Dauergrinsen und beschwingte Wehmut

Später verarmte er wie wir alle ein bisschen in Neukölln – wo auch sonst – und tauchte dann immer wieder an allen möglichen Orten mit seinen Strangers auf: 1989 spielte er mal in einem Programm mit Westbam, dann wieder bei der Premiere eines Films über den AFN, auf Straßenfesten ist er ein gern gesehener Gast, an seinen Geburtstagen tritt er fast immer auf. Ein bisschen erinnert er an die Figuren des Zeichners Sergio Aragones, ein bisschen an Bommi Baumann, der in den frühen Sechzigern mit der Musik der Strangers sozialisiert wurde. Sein schnurrbartunterstütztes Lächeln ist unglaublich gewinnend. Von Jacky würde man gern gleich zwei Gebrauchtwagen kaufen. Man könnte auch Analogien zum „buena vista social club“ herstellen. Jacky ist Legende. Jacky spielt auf seiner geliebten, schweren Fender-Gitarre „Jenny“, die er sich vor 44 Jahren aus den USA hatte schicken lassen. Seitdem Elvis tot ist, hängt ein Trauerflor an der Gitarre. „Der bleibt dran, solange ich lebe.“ „Deta & the Beez“ sangen ihm zu Ehren ein „Shake It Jacky Now“, und er wippte so Klasse vor der Bühne herum und legte später selber los mit seinen Freunden: „Ohne Effektgeräte, ohne Playback, wie es heute üblich ist, sondern live und handgemacht“ und „wir machen auch mal Fehler“. Toll! Das gute alte Saxophon, der dezente Bass, die Schweineorgel, Harry am Schlagzeug schwitzt ganz in echt, als er mal kurz loslegt, und Jacky steigt von der Bühne runter und spielt neben einem älteren Paar, das da Rock 'n' Roll tanzt, und begrüßt viele der Gäste mit Handschlag. Hello Josephine. See you later, alligator. Tom Dooley muss hängen. „Marina, Marina, Marina“; jetzt was für die „Teenagerspätlese“ und jetzt ein Lied für den Bodo und jetzt was von Bill Haley. „Den kannte ich auch persönlich. Mit dem hab ich auch schon mal gespielt.“ Oft singt Jacky zweisprachig. Das alles erzeugt – neben einem Dauergrinsen im Gesicht und wippenden Füßen – eine sehr angenehm beschwingte Wehmut, die durch die Professionalität der erfahrenen Musiker vor dem Abgleiten ins allzu Sentimentale bewahrt wird. „Das war damals sehr schön und ist auch heute noch schön: 'Blueberry Hill‘.“ „Und jetzt wird es ein bisschen lauter: Alle festhalten!“

Um zwei war die Feier noch längst nicht vorbei

Und dann kam der 75jährige Dob Doberstein mit seinen 4 Dobs noch auf die Bühne und rockte für Jacky, der seine musizierenden Generationsgefährten fotografierte. Coco Schumann, der große Jazzgitarrist, spielte unglaublich entspannt und souverän auf seiner Gitarre. Dann war es zwölf, und Ingeborg, die seit hundert Jahren bei jedem seiner Auftritte dabei ist – ob am Chamissoplatz oder im „Wild at heart“ –, schenkte ihm ein Geburtstagsgedicht: „Zu deinem heutigen Wiegenfeste / nur das Allerbeste ... / bleib weiter frisch und heiter / auf deiner Lebensleiter.“ Um zwei war die Feier noch längst nicht vorbei.