Ku-Klux-Klan im Sommerschlussverkauf

Der Prenzlauer Berg ist ein Shopping-Paradies für Rechtsradikale: Neonazi-Ware unter dem Ladentisch    ■ Von Andreas Spannbauer

„Wenn du was Bestimmtes suchst, musst du Bescheid sagen. Ich meine, etwas, das du nicht siehst.“ Der ungefähr vierzig Jahre alte, etwas untersetzte Verkäufer im Army-Shop „Two-Flag-Store“ in der Hufelandstraße gibt sich alle Mühe, die Neugier seiner Kunden zu wecken. Ob es auch „mehr so was Deutsches“ sein darf, will er wissen. Verschwitzt, weil gerade eine neue Lieferung angekommen ist, die einsortiert werden muss, holt der Mann einen Karton unter der Ladentheke hervor.

Das Angebot, das nicht alle sehen sollen, kann sich sehen lassen: Knapp zwei Dutzend verschiedene Aufnäher legt er Stück für Stück auf den Ladentisch. „Landser“, in silberner Frakturschrift auf schwarzem Grund, ist auf einen aufgestickt. Ein anderer, illustriert mit einer Notenzeile, trägt die Aufschrift „Deutschland, Deutschland über alles“, Autoaufkleber werben für „Preussens Gloria“, und in der Vitrine liegen Orden aus dem Ersten Weltkrieg. In der Ecke, neben Sturmfeuerzeugen und Springmessern, liegt Merchandise-Material der neonazistischen Skinhead-Gruppe „Blood & Honour“.

Wem das noch nicht genug ist, dem packt der freundliche Mann im etwas unaufgeräumten Two-Flag-Store weitere Ware aus. „Pins habe ich auch noch“, sagt er eifrig und holt unter der Büste eines Wehrmachtssoldaten eine kleine, schwarze Schachtel hervor. Der Inhalt: Das Balkenkreuz als Anhänger für eine Halskette; Anstecker, die Deutschland in den Grenzen von 1937 zeigen: „Mein Deutschland.“

Der Two-Flag-Store ist nicht das einzige Unternehmen, das in Berlin-Prenzlauer Berg um Marktanteile in der Braunzone kämpft. Der Stadtteil, der gewöhnlich als linksalternative Hochburg gilt, ist zum Einkaufs-Mekka der rechten Szene geworden. Allein zwischen Schönhauser Allee und Bötzowstraße finden sich zehn Militaria-Shops, die eine rechte Klientel bedienen.

Hennes & Mauritz für den Kay Diesner von morgen

Was im Two-Flag-Store noch unter dem Ladentisch offeriert wird, das macht bei „Ha-Ra-Kiri“, nur etwa tausend Meter weiter in der Grellstraße, das gesamte Sortiment aus. Der von außen unscheinbare Laden, den man durch eine Milchglastür betritt, ist ein Bekleidungsfachgeschäft für Rechtsradikale - mit überregionaler Bedeutung: „Skinheads Brandenburg“, „Skinheads Mecklenburg“, steht auf den T-Shirts wie anderswo die Markennamen Levi‘s oder Diesel. Die rechte Montur, geographisch sortiert, soll für den entsprechenden Korpsgeist bei der Jugend sorgen. „Ha-Ra-Kiri“ arbeitet auch als Versand.

Für die Neonazis findet sich das eine oder andere Schnäppchen. Auf einem Hemd prangt ein Wappen mit den Buchstaben „WAW“: „Weißer Arischer Widerstand“. Unter diesem Kürzel haben in den vergangenen Jahren verschiedene rechtsradikale Gruppierungen in Berlin agiert. Der spektakulärste Fall: Der Neonazi Kay Diesner, wegen Polizistenmordes und zweifachen Mordversuchs zu lebenslanger Haft verurteilt, hatte sich 1997 bei einer polizeilichen Vernehmung als Mitglied des WAW bezeichnet.

Die Auswahl lässt nichts zu wünschen übrig. Ein T-shirt ist mit einem Reichsadler, an dem nur das Hakenkreuz fehlt, und der Parole „Skinhead - stolz“ verziert, auf einem anderen wird der Ku-Klux-Klan verherrlicht - für 29,90 Mark. In einer Vitrine liegen eine ganze Reihe von Accessoires, darunter der „Thorhammer“, der ebenfalls zum Dresscode der Rechten gehört. „Pfoten weg!“, trifft ein Selbstbedienungsverbotsschild den Ton der Kundschaft.

Verona Feldbusch, Homer Simpson und Frank Rennicke

Die Farben dieses Sommers sind schwarz, weiß, rot - die Farben des Reiches, von dessen Wiederauferstehung die Geschäftsinhaber träumen. Optisch entsprechen die Anwesenden allerdings nicht dem Klischee vom gescheitelten Rechtsextremisten.

Am Verkaufstresen unterhalten sich Langhaarige über die Frage, „ob Verona Feldbusch wirklich so dumm ist, wie sie tut“. Und über ihre Enttäuschung, dass der Moderator des Radiosenders Fritz, Tommy Wosch, jetzt im Fernsehen nur noch Kohle machen wolle.

Einer der Männer, die offenbar Stammkunden sind, trägt ein T-Shirt, das die US-Comicfigur Homer Simpson zeigt. Die anderen haben sich für „Screwdriver“, die Band des verstorbenen britischen Neonazi-Frontmannes Ian Stewart, oder den Kindesmörder Freddy Krüger als Motiv für ihre T-shirts entschieden.

Wie ein Registerauszug aus einem Verfassungsschutzbericht wirkt auch das Angebot an Compact-Discs. „Ganz Deutschland hört den Volkssänger Frank Rennicke“, lautet ein an die NS-Propaganda angelehnter Titel des prominenten Barden, der mit seinen kämpferischen Liedern, begleitet auf der Akustikgitarre, zum Heino der rechtsradikalen Szene avanciert ist.

Die „Proissenheads“, denen das Land Brandenburg vor rund einem Jahr wegen ihrer rechtsextremen Texte den Proberaum gekündigt hat, besingen den „Bruderkrieg“. Kitschige Schlachtenmalereien, entliehen von germanischen Heldensagen, schmücken einen Tonträger der Gruppe „Arisches Blut“. Auch das Berliner „Spreegeschwader“, laut Verfassungsschutz eine der führenden Skinheadbands der Bundesrepublik, fehlt nicht im Angebot.

Ein klarer Fall für die Staatsanwaltschaft

Der Propagandafeldzug der Rechten hat inzwischen erste Gegenoffensiven ausgelöst. Unbekannte demolierten Mitte April die Türschlösser des Two-Flag-Store sowie weiterer Läden, denen „Antifaschistische Initiative“, die sich zu der Aktion bekannte, Geschäftemachen mit rechter Gesinnung vorwarf. Man wolle, so hieß es in dem Bekennerschreiben, „den Besitzer zum Nachdenken über seine Waren anregen“.

Auch der Verfassungsschutz ist auf die rechtsradikalen Einkaufsparadiese aufmerksam geworden. „Beide Läden sind uns nicht unbekannt“, sagte ein Sprecher über „Ha-Ra-Kiri“ und „Two-Flag-Store“.

Indizierte CDs und Broschüren würden dort als sogenannte „Bückware“ unter dem Ladentisch an Stammkunden, darunter organisierte Rechtsextremisten, verkauft. „Was dort an den Mann gebracht wird, ist ein Problem für die Staatsanwaltschaft“, sagte der Mann vom Verfassungsschutz.

Martin Steltner, Sprecher der Justizpressestelle, bestätigte, dass „in diesem Zusammenhang Ermittlungen geführt werden“. Man prüfe, ob die Voraussetzungen für ein Verfahren wegen Verwendens verfassungswidriger Kennzeichen vorliegen. Auf die Frage, ob die Polizei bereits konkrete Maßnahmen gegen die Läden eingeleitet habe, wollte Steltner keine Auskunft geben.

Der Boom ist jedenfalls ungebrochen. Vom Verkauf der Sportswear, mit der die Rechten um die kulturelle Vorherrschaft ringen, lebt nicht nur das Ha-Ra-Kiri. Das Bekleidungsgeschäft „Keller“ in der Danziger Straße wirbt am U-Bahnhof Eberswalder Straße ebenfalls mit der Farbkombination schwarz-weiß-rot. Die farblich passenden Hosenträger sind bei „Hoolywood“ an der Schönhauser Allee erhältlich. Hier dominieren die Marken „Pit Bull Ostberlin“ und „Fred Perry“, die bei keiner rechten Demonstration fehlen.

Über „blonde Haare, blaue Augen, die genetische Mitgift“, wird der Einkäufer bei „Artefakt“ in der Greifswalder Straße aufgeklärt. Der Laden führt unter anderem Bücher des rechten Grabert-Verlags mit Titeln wie „Ursprung der Deutschen“.

Auf rechtes Publikum hat man sich auch bei „McTrend“ in der Danziger Straße eingestellt. Aufnäher, auf denen mit altdeutscher Schrift wahlweise „Berlin“ oder „Pilskiller“ aufgestickt ist, zieren die Schaufensterscheibe. Die Bomberjacke gibt es mit schwarz-rot-goldenem Aufnäher ab Fabrik, „Odin“ und „Thorhammer“ sind die gängigen Bekleidungsmarken. Der Verkäufer, ein älterer, unscheinbarer Mann mit Halbglatze, weiss, was bei der Kundschaft ankommt. Über Rasta-Locken von linken Studenten, die schon im „dritten Sylvester“ sind, weiss er auch etwas: „Ich stelle mir vor, dass da bestimmt Ungeziefer drin ist.“