Erinnert an Blütezeit des Sprachchauvinismus

betr.: Debatte „Europa lebt von der Sprachenvielfalt“

Taz-Leser Hans Wilhelm Böheim irrt gleich in zweifacher Hinsicht, wenn er das Urdu als eine Mischung aus „natürlichen Sprachen“ bezeichnet. Erstens ist Urdu eine historisch gewachsene indogermanische Sprache wie z. B. das Deutsche auch, zweitens werden die von ihm angesprochenen Mischsprachen (besser Pidgin- und Kreolsprachen), wie etwa das Kisuaheli, ebenfalls als natürliche Sprachen bezeichnet, da sie eben nicht, wie etwa das Esperanto oder das noch bizarrere Volapuek, geplant wurden, sondern sich frei entwickelt haben.

In dem Zusammenhang muss auch noch mal die Äußerung von Staatsminister Naumann, Deutsch sei eine europäische „Ursprache“, aufgegriffen werden. Diese Behauptung ist wahrscheinlich die dümmste und wissenschaftlich haltloseste, die mir bisher in solchen Zusammenhängen untergekommen ist, und erinnert fatal an die Blütezeiten des Sprachchauvinismus, in denen Sprachen als besser oder schlechter bzw. höherwertiger und minderwertiger klassifiziert wurden.

Da Sprachen sich laufend verändern und damit historisch betrachtet nahtlos ineinander übergehen, ist es unmöglich, einen solchen „Urzustand“ zu bestimmen.

Wenn Herr Naumann eine Ursprache benutzen will, kann er es ja mal mit Proto-Indogermanisch versuchen. Viel Spaß.

Lars Karstedt, Hamburg