Mit der Concorde von George Bush Junior zu George Bush Senior

■ Tour-de-France-Sieger Lance Armstrong wird auf seiner Welt-Jubeltour von New York bis Karlsruhe gefeiert

Karlsruhe (taz) – Als die Flaggen gehisst und die Hymnen gespielt wurden zu Ehren der Sieger, saß Lance Armstrong längst schon wieder im Flugzeug. Möglichst flott von Karlsruhe nach Paris sollte die kleine Privatmaschine den Mann aus Texas bringen. Dorthin zurück also, wo er vor nicht ganz einer Woche mit gelbem Leibchen einbog auf die Champs-Élysées.

Am Samstag aber war der Zielpunkt nicht die Pariser Prachtmeile, sondern der Flughafen. Den Abendflieger zurück in die Heimat galt es zu erwischen und wenig später saß Lance Armstrong (27) tatsächlich wieder in jener Concorde Richtung New York, die ihn am Morgen erst rübergeflogen hatte von der Neuen in die Alte Welt.

Tempo ist eben eine wichtige Sache für einen Radrennfahrer, nicht selten beginnt die wilde Hatz schon lange vor dem Startschuss. Ganz besonders gilt das für einen, der zuerst den Kampf gegen den Krebs und dann auch noch die Tour de France gewonnen hat. Den wollen die Menschen so ziemlich überall auf der Welt livehaftig sehen, wenigstens einmal, schon um ganz sicher sein zu können, dass es den Mann wirklich gibt und er nicht nur eine Erfindung ist, zum Beispiel der Medien. „Wenn ich die weltweite Resonanz sehe, dann war das wohl meine Sternstunde“, sagt Armstrong mittlerweile.

Wohin er auch kommt, er wird als Held gefeiert.

Mehr noch: verehrt. Letzten Montag im niederländischen Boxmeer (wo er übrigens gewann), am Dienstag im schweizerischen Lausanne (obwohl er bei einem Bergrennen ziemlich abgeschlagen Neunter wurde), am Donnerstag schließlich in New York, wo ihn bei einem Empfang tausende „welcome“ hießen und der Bürgermeister den 29. Juli kurzerhand zum „Lance Armstrong Day“ ausrief.

Am Samstag in Karlsruhe war ein Weltklassefeld über 72 Kilometer und vor rund 150.000 Zuschauern zum Paarzeitfahren an den Start gegangen. Auch da wuchsen Beifall und Jubel immer dann ganz besonders an, wenn Armstrongs leuchtendes Trikot sichtbar wurde. Er war die sechsmal zu durchkurbelnde Stadtschleife im Verbund mit seinem treuesten Tour-Gehilfen Kevin Livingston angegangen. Dass er am Ende nur als Achter und Vorletzter ins Ziel trudelte, fast vier Minuten nach dem Siegerpärchen, gebildet von dem Berliner Jens Voigt und dem englischen Zeitfahrspezialisten Chris Boardman, störte keinen.

Ernsthafte Chancen auf den Sieg durfte man Armstrong ohnehin nicht einräumen bei den Vorbedingungen, er selbst tat es schließlich auch nicht. Schon bei der Fahrervorstellung vor dem Rennen gab er zu, „etwas müde“ zu sein von all dem Trubel um seine Person. „Ich lebe im Moment im Stress“, sagte er da.

Das wird eine Weile auch noch so bleiben, das Ende der Tortur ist keineswegs erreicht. Für Anfang dieser Woche vorgesehen sind unter anderem eine zünftige Parade in Armstrongs Heimatstadt Austin, ein Empfang beim texanischen Gouverneur George Bush jun. sowie ein Essen mit dessen Daddy, dem ehemaligen Präsidenten.

Mehr als wahrscheinlich ist zudem, dass Armstrong weitere Einladungen zu Talkshows ins Haus flattern. Den Besuch bei David Letterman hat er bereits hinter sich gebracht, die Einschaltquoten sollen gigantisch gewesen sein.

Allzu viel Zeit für diese ganz besondere tour d'honneur wird dem lebenden Wunder aber nicht bleiben, in Holland steht das ein oder andere Kirmesrennen an, bei dem der Tour-Sieger in den Sattel steigen will, um den ein oder anderen Dollar hinzuzuverdienen. Schließlich ist Rad fahren immer noch sein Beruf. Frank Ketterer