Schieflage am Monte Amiata

■  Einst trat der Objektkünstler mit seinen „Fallenbildern“ die Tür der Kunstgeschichte ein. Jetzt pflegt er Grassofas: „Der Garten des Daniel Spoerri“ (22.25 Uhr, 3 sat)

Hic terminus haeret. Wer dieses Künstlerlatein für Fortgeschrittene in profanes Deutsch übersetzt, ist mit dem Tod konfrontiert: „Hier haftet das Ende.“ Doch als Motto von Daniel Spoerris toskanischem Skulpturengarten verliert die Parole des Manierismus sogleich ihren Schrecken. Der Schweizer Objektkünstler, der vor 40 Jahren in Paris mit seinen „Fallenbildern“ die Tür der Kunstgeschichte eintrat und seitdem für eine dauerhaft umtriebige Praxis bekannt ist, hat sich und seinem Werk Sesshaftigkeit verordnet.

Bei Seggiano, 60 Kilometer südlich von Siena, ist auf 16 Hektar hügeligem Grund in neunjähriger Arbeit sein „Giardino“ entstanden. Die knapp einstündige Dokumentation von Magdalena Kauz holt diese Kunst und ihre natürliche Umgebung zum Greifen nah heran: Spoerris elementare Bronzen mit ihren ironisch-verspielten Pointen, die zahlreich vertretenen Arbeiten von Freunden wie Alfonso Hüppi, Pavel Schmidt, Karl Gerstner und Katharina Duwen.

Was es zum „sentimentalen Garten“ zu sagen gibt, bestreitet die Hauptperson: wortreich, mit entschiedener Gestik, listigem Mienenspiel – und einer verblüffenden Distanz zum eigenen Schaffen. Außerdem hält der Alltag in einem der Vollendung harrenden Gesamtkunstwerk nicht nur seinen Schöpfer auf Trab, sondern gibt auch dem filmischen Bericht darüber einigermaßen unerbittlich den Takt vor.

Denn schon rauscht Besuch an: Der Eisenplastiker Bernhard Luginbühl, seine Frau Ursi und die Söhne Iwan und Basil wollen die Endmontage ihres „Giardino“-Beitrags selbst vornehmen. Sie dauert eine Stunde, und schon ist das Monument (in gut schweizerischer Manier nach dem nächstbesten markanten Berg „Monte Amiata Stengel“ getauft) seiner Bestimmung übergeben.

Es folgt ein Arbeitsausflug in die Bronzegießerei Caporella bei Rom, wo die Teile des „Chambre No. 13, Hotel de Carcassonne gefertigt werden. Fünf Tonnen wiegt das fertige Remake von Spoerris einstigem Pariser Domizil und spielt mit seiner verwunschenen Schieflage im „Giardino-Dickicht auch auf den nahe gelegenen „Heiligen Wald“ von Bomarzo an, einer Renaissance-Anlage des Fürsten Orsini. Und selbst wenn weit und breit keine Nana zu sehen ist, grüsst doch manches Objekt recht unverblümt in den 200 Kilometer entfernten Park von Niki de St. Phalle hinüber.

„Attention! Oeuvre d'art“ hat Daniel Spoerri einst getitelt. Dabei war es ihm natürlich um die so deklarierte Wurst gegangen. Am Rande der großen „Giardino“-Wiese stehen zwei „Grassofas“: „Der Garten des Daniel Spoerri“ lässt solche Dinge selbstverständlich werden. Am Ende des Films wird es Winter, fällt Schnee auf den „Labyrinthischen Mauerweg“: Die Kunst ist immer nur so begehbar wie das Leben selbst. Andreas Schäfler