Zittau hat ein offenes Herz für Rechte

Der Bürgermeister und die Polizei sehen nichts Besonderes an dem rechten Überfall auf eine schwul-lesbische Party. Das sei völlig normal, meint auch eine Sprecherin des sächsischen Innenministeriums    ■ Von Margret Steffen

Der Oberbürgermeister im sächsischen Zittau, Jürgen Kloß (CDU), versteht sich vor allem auf eines: nichts zu sagen. Sagt er doch einmal etwas, geht das leicht schief. Zum Beispiel beim diesjährigen Stadtfest im Juli. Da überfielen laut Polizeibericht 30 Rechtsradikale „eine Veranstaltung der Schwulen- und Lespenbewegung (!) im Rathauskeller“, misshandelten Besucher, plünderten Kasse und Tresen.

Schuld daran waren die örtlichen Gegebenheiten, heißt es hinterher in des Bürgermeisters Presseerklärung. Denn „im Lichthof des Rathauses aufgestellte Toiletten begünstigten den ungehinderten Zutritt zum Kellereingang“.

Die Veranstalter der Party von „RosaPower“ e. V. hatten Ärger durch Rechte befürchtet und baten im Vorfeld bei Stadtverwaltung und Polizei um verstärkten Schutz. Beide Seiten lehnten diesen mit der Begründung ab, man wolle doch keine schlafenden Hunde wecken. Und: „Zum Stadtfest soll kein Polizeistaat errichtet werden.“ Die Organisatoren mussten einen privaten Wachschutz engagieren. Dieser verschwand, als die Situation eskalierte. Ein Einsatzwagen der Polizei erschien mit fünf Beamten. Diese blieben nach Auskunft der Veranstalter für fast zwei Stunden die einzige Polizeipräsenz.

Mit dem Vorfall und dem polizeilichen Vorgehen beschäftigte sich inzwischen das Dresdner Innenministerium. Die dortige Polizeibehörde verglich Dienstprotokolle und Anzeigen von Betroffenen. „RosaPower“ wirft der Polizei spätes und halbherziges Eingreifen vor. Doch ein Sachstandsbericht des Innenministeriums weist jetzt alle Vorwürfe zurück. „Die Angaben der Betroffenen weichen stark von denen der Einsatzleitung ab“, so eine Sprecherin. „Wir sehen nichts Beanstandenswertes am Verhalten der Kollegen. Und es ist auch normal, dass es bei Volksfesten mal ein blaues Auge gibt.“

In Zittau wächst der Unmut über bürgermeisterliche und polizeiliche Ignoranz. Viele Bürger sagen, die Beamten seien völlig überfordert gewesen. Massiv bedrohte Partygäste mussten sich selbst einen Weg durch die rechte Randalegruppe bahnen. Augenzeugen berichten, Polizisten hätten es mit den Worten, es seien nicht genug Formulare da, abgelehnt, Anzeigen aufzunehmen. Und ein Mitglied von „RosaPower“ hörte den Kommentar des herbeieilenden Bürgermeisters, der meinte,die Homosexuellen sollten doch froh sein, dass sie hier überhaupt feiern dürften.

Ilja Seifert, Bundestagsabgeordneter der PDS aus Zittau, hat inzwischen den Rücktritt des Bürgermeisters gefordert. In einem offenen Brief kritisieren Bürger, Politiker und Vertreter der internationalen Hochschule der Stadt, dass „weder zum Zeitpunkt des Geschehens noch im Nachhinein ein ernsthafter Versuch erkennbar war, der rechten Gewalt etwas entgegenzusetzen“. Kloß, der die Party im Rathauskeller auflöste und eine nächste gleich mit absagte, setzte sich zumindest dem Verdacht aus, er kapituliere vor den Rechten. Bis heute habe Kloß nicht klargestellt, so kritisieren die Veranstalter, dass die Aggressionen ausschließlich von Rechten ausgingen. Reinhard Boose, Präsident des Landesamts für Verfassungsschutz in Dresden, beobachtet unter Rechtsradikalen „seit Jahresbeginn wieder zunehmende Aktivität im Raum Zittau“ Unter anderem durch den Verein „Nationaler Jugendblock“. Diesem verschaffte Kloß persönlich 1993 eigene Vereinsräume.

Dass „RosaPower“ und andere Vereine vor der Gefahr rechtsradikaler Ausschreitungen mehrfach gewarnt haben, ist im sächsischen Innenministerium unbekannt. Trotz der Gespräche mit Bürgermeister und Polizeiführung will man dort vom Drängen der Organisatoren nach mehr Schutz nichts gewußt haben. „Die Kollegen hatten die Situation schnell unter Kontrolle. Im Vorfeld gab es keinerlei Hinweise, dass sich die Situation so entwickeln könnte“, so die Sprecherin.

Das deutsch-polnisch-tschechische Stadtfest wurde von der Europäischen Union gefördert. Wie der Bürgermeister mit den zukünftig offenen EU-Grenzen und den rechten Umtrieben seiner Stadt umgehen will, sagt er vorerst nicht. Er wolle überhaupt nichts mehr sagen, sagt er gegenüber der taz. Nur das eine noch: „Schauen Sie sich mal in Berlin um, da sieht es auch nicht besser aus als bei uns.“

„Die Homosexuellen sollen doch froh sein, dass sie hier überhaupt feiern dürfen“, Jürgen Kloß (CDU), Oberbürgermeister von Zittau