„Endlich vom Pferd gefallen“

■ Immer mehr Frauen wagen die Existenzgründung – aus Jobfrust oder mangelnden Berufschancen / Ein Bericht über drei, die den Sprung inzwischen gewagt haben

Der Tag fing schon mißlich an: Erst das entscheidende Gespräch in der Firma, „ob eine Zusammenarbeit überhaupt noch klappt.“ Dann der Reitunfall. „Endlich bin ich vom Pferd gefallen“, sagt Daniela Schmitz dazu heute. Denn drei Tage nach dem Sturz traf sie in der Klinik die Entscheidung: Für die Selbständigkeit nach jahrelangem Schuften als angestellte Grafik-Designerin mit „stetig wachsender Unzufriedenheit“. Erst der Umfaller machte den Weg zum Neuanfang frei, sagt die 34jährige heute. „Vorher hätte ich eine eigene Existenzgründung niemals gewagt“.

Zu groß war die „Angst vor der Verantwortung“, die Angst „vor Kunden allein dazustehen“ und für den eigenen Lebensunterhalt zu sorgen. Und trotzdem wagen heute immer mehr Frauen den Sprung in die Selbständigkeit – aus Frust am Job, aus mangelnden Berufschancen auf dem Arbeitsmarkt oder der Hoffnung auf flexible Arbeits- und damit Kindererziehungszeiten. Das ermittelte jetzt die Bremer Koordinierungs- und Beratungsstelle „Frau und Beruf“ (ZiB), die seit einem Jahr spezielle Existenzgründungs-Beratung für Frauen anbietet (siehe Kasten).

Vorher nämlich waren solche Angebote rar. Obwohl mittlerweile 31 Prozent aller Existenzgründungen von Frauen anvisiert werden, blieben die Gründerinnen als Gruppe lange Zeit unerkannt. Daniela Schmitz zum Beispiel mußte damals noch „von Hinz zu Kunz“ laufen – klopfte bei der Handelskammer an, bei der Wirtschaftsförderung und beim Rationalisierungs-Kuratorium der Deutschen Wirtschaft in Bremen (RKW), das Bremens Finanztöpfe für Existenzgründer koordiniert. Das RKW bot ihr schließlich ein Darlehen an, „das aber gar nichts für mich war. Ich wollte eine Kleinstgründung vornehmen, das angebotene Darlehen bezog sich aber auf mehrere hunderttausend Mark.“

Dabei gründen Frauen laut ZiB eher klein und vornehmlich im Dienstleistungsbereich – von der Ein-Frau-Agentur, über den Fußpflegesalon bis zum Konfiserie-Laden – und brauchen daher oft nur bis zu 40.000 Mark als Startkapital. Daniela Schmitz nahm deshalb in der Not das Ganze selbst in die Hand – und mietete sich mit ihrem „Selbstgesparten“ in einer Bürogemeinschaft am Dobben ein. Dort traf sie „per Zufall“ auf zwei gleichgesinnte GrafikerInnen, die eine Existenz-Gründung bereits hinter sich hatten – und seit vier Jahren Unternehmen mit ihrem „HofAtelier“ ein neues Erscheinungsbild (Corporate Identity und Corporate Design) verpassen.

„Voller Energie und absolut powerful“ waren Andrea Birr und Susanne Hellmann 1995 in die Selbständigkeit gestartet – allerdings erst nach „reiflicher Überlegung“ und dem Besuch einer Veranstaltungsreihe der Bremer Frauenbeauftragten zum Thema, die vor vier Jahren zufällig stattfand. „Da hatten wir Glück“, erinnert sich Andrea Birr: Dort nämlich rieten die anwesenden Unternehmens-Beraterinnen den beiden, ein kleines Darlehen aus dem staatlichen sog. „ÖBI-Fonds“ zu beantragen. „Mit günstigen Zinsen und niedriger Höhe, genau das Richtige für uns“, sagen die beiden. Auch wenn das Schreiben des Finanzierungskonzepts „das Schlimmste war.“

Doch heute, nach vier Jahren Erfahrung, sind die beiden schon alte Hasen. Buchhaltung? Kein Problem mehr. Und die Aufträge kamen auch von Anfang an rein – „über alte Kontakte und später über Empfehlungen von Leuten, die mit uns zufrieden waren.“ Und Kinder kamen auch – beide Frauen wurden kurz nach der Existenzgründung schwanger. Sie stiegen wechselseitig aus und vertreteten sich gegenseitig. Das Mutter sein klappt bis heute prima: Als Angestellte müßte sie ja erstmal nur zuhause bleiben, sagt Andrea Birr: „Aber als Selbständige kann ich mir meine Zeit doch super frei einteilen“.

Als Dritte im Bunde stieg dann vor einem Jahr noch die „neue“ Daniela Schmitz als weitere Hilfe ein. Denn „dann kann man sich gegenseitig mal am Telefon vertreten“, sagen beide zu den Vorteilen einer Bürogemeinschaft. „Außerdem betreuen wir zum Teil auch schon Kunden zusammen“. Einen Chef oder das Agenturumfeld vermissen alle drei nicht: „Die Arbeitsbedingungen wurden in den Agenturen immer schlechter: Man wurde richtiggehend ausgenutzt, mußte Überstunden schieben für relativ schlechte Bezahlung.“

Jetzt sind sie für sich selbst verantwortlich – und aus der Angst vor der Verantwortung ist pure Begeisterung geworden: Die Freude, „endlich alles selbst in der Hand zu haben“, sagt Daniela Schmitz: „Und wenn mal was schief geht, weiß ich wenigstens warum. Früher habe ich dafür noch von oben einen draufbekommen.“ Außerdem ist der Arbeitstag nicht mehr so lang – und das sogar bei noch besserer Bezahlung. Und wie steht's mit Nachteilen in punkto Selbständigkeit? „Finde ich keine. Ich bin heilfroh, daß ich's gewagt habe.“ Katja Ubben