Hollerland-Gutachten: Contra, Re, Bock ...

■ Schon wieder versucht die große Koalition mit Steuermitteln ihren Hollerland-Streit zu klären / Erneut wurde ein Gutachter beauftragt, um zu klären, ob das Areal EU-Naturschutzgebiet wird

Es gibt Menschen, die wollen immer noch nicht glauben, dass das Hollerland ein Gebiet ist, das auch durch EU-Recht geschützt gehört. Kurz nach der Wahl im Juni wurde ein Gutachter in Hamburg beauftragt, um erneut zu überprüfen, ob im Hollerland genug schützenswertes Getier und Strauchwerk zu finden ist, um es als sogenanntes FFH-Gebiet bei der EU anmelden zu können. Durch eine solche Anmeldung wird eine Bebauung des Hollerlands erschwert.

Schon am 16. Juli letzten Jahres beschloss die Senatsrunde, das Hollerland erneut begutachten zu lassen. Die Initiative ging von den CDU-Ressorts Bau und Wirtschaft aus, SPD-Umweltsenatorin Tine Wischer stimmte widerwillig zu. In gleicher Sitzung war beschlossen worden, mehrere Gebiete an der unteren Wümme als FFH-Gebiete anzumelden. Bei rund einem Dutzend Gebieten war man sich noch nicht sicher. Doch erneut bewertet werden sollte nur das Hollerland.

Während des Wahlkampfes wurde zwischen SPD und CDU jedoch ausgehandelt, das Thema Hollerland nicht anzusprechen. Dann gab es Streit um den Gutachter: Der von Wischer vorgeschlagene Hamburger Gutachter Professor Wilkens gefiel der CDU nicht. Einen fachlich kompetenten Gegenvorschlag allerdings hatte man nicht zu unterbreiten. Als man sich im Frühjahr doch auf Wilkens geeinigt hatte, wurde erneut geblockt: Die Ergebnisse sollten auf keinen Fall noch vor der Wahl vorgelegt werden – offenbar fürchtete man, dass das Gutachten günstig für das Naturschutzgebiet Hollerland ausfallen könnte. Erst kurz nach der Bürgerschaftswahl am 6. Juni bekam Wilkens seinen Aufrag.

Jetzt sitzt der Hamburger über den Expertisen der vergangenen fünf Jahre, um noch einmal zusammenzufassen, was alle wissen: Dass alles für eine Anmeldung des Hollerlandes als FFH-Gebiet spricht. Neue Erhebungen über den Flora und Fauna-Bestand des Feuchtgebietes wird er nicht durchführen. Spätestens am 15. Oktober soll das neue Papier vorliegen. Kosten für den Steuerzahler: Zwischen 25.000 und 50.000 Mark.

Als „völlig rausgeschmissenes Geld“ bezeichnete Michael Schirmer, stellvertretender Sprecher des Naturschutzbeirates im Umweltressort, die neuerliche Überprüfung. „Der Wissensstand ist so gut – da ist das Gutachten nicht mehr nötig.“ Es sei Umweltsenatorin Tine Wischer vor einem Jahr nicht möglich gewesen, sich gegen die „geballte Macht aus den Ressorts Bau und Wirtschaft“ zu wehren, so dass sie schließlich zustimmte.

Tatsächlich hat der Senat relativ wenig Spielraum, sich vor der Anmeldung des Hollerlandes als FFH-Gebiet zu drücken. Im Anhang III der FFH-Richlinien ist genau beschrieben, unter welchen Voraussetzungen ein Gebiet gemeldet werden muß. In Fachkreisen wird nicht bezweifelt, dass das Hollerland angemeldet werden muß – zu einzigartig ist die Natur an dieser Stelle.

Für die FFH-Anmeldung drängt ernsthaft die Zeit. Die EU-Kommission hat angekündigt, EU-Gelder aus Strukturfonds nicht auszuzahlen, wenn Deutschland nicht bis zum Ende des Jahres alle FFH-Gebiete nach Brüssel meldet. Tatsächlich arbeitet man derzeit im Bremer Umweltressort an einer Liste der potentiellen FFH-Gebiete. In Niedersachsen wurde gar beschlossen, den Zeitplan anzuziehen: Dort sollen die Gebiete spätestens Mitte November an die Bundesregierung (und von dort an die EU) gemeldet werden. Christoph Dowe