American Football ohne Sackschutz

Die Berlin Adler Girls spielen in der Ladies Bowl um die deutsche Meisterschaft der Frauen im American Football. Fast wie bei den männlichen Kollegen geht es auf dem Spielfeld hart zu – aber wesentlich kreativer    ■ Von Markus Völker

Clemens Neumann ist Football-Fan. Er steht am Spielfeldrand und trägt eine Kappe aus Pappe mit zwei drangeklebten Flügeln. Die Mütze passt ganz gut zu seinem Team. Denn das Wappentier der Berlin Adler Girls hat auch was mit Schwingen zu tun. Neumann spielt selbst American Football, in der Defensive-Line der Berlin Cobras, einem unterklassigen Team. Was bringt ihn zum Frauen-Football? „Ich schätze das Erlebnis beim Live-Football“, sagt er. Außerdem lege er keinen Wert darauf, nur qualitativ gute Spiele anzusehen. „Dann brauch ich in Deutschland überhaupt kein Football-Spiel zu gucken.“ Am liebsten schaut er der Nummer 25 der Adler Girls zu. „Das ist meine Frau“, sagt Neumann.

Es geht familiär zu. Die etwa 100 Zuschauer sind meist Freunde und Bekannte der Spielerinnen. Es ist ein großes Picknick von Football-Enthusiasten, die sich zum Bundesliga- Spiel auf dem Rasen des Stade du Napoleon in Tegel niederlassen. Der Spielauftakt stört die Geruhsamkeit der Lagernden nur wenig. Erst stürmen die Gegnerinnen aus Hamburg lärmend auf das Spielfeld. Ihr Schreien soll Angst machen. Sie nennen sich Maniacs. Dann lassen die Adler einen Brüller aus einer Traube von Spielerinnen steigen. Und schließlich beginnt das Match.

Helme prasseln aufeinander. Hektische Rufe. Quarterback-Pässe über 30, 40 Yards. Meist sind sie „incomplete“. Die Frauen haben Probleme beim Fangen des ovalen Spielballs. Aber getackelt wird, dass es kracht. Eine Berlinerin muß mit einer Verstauchung im Knöchel vom Feld. Ein Running Back der Hamburgerinnen bekommt einen bösen Hit in die Rippen. Weinend bricht sie nach der Attacke zusammen, läuft gekrümmt auf die Bank. Wer gedacht hat, hier werden Streicheleinheiten verpasst, der muss sein Bild vom Frauen-Football nach dem forschen Auftakt korrigieren. Hatte so mancher männliche Beobachter vor dem Spiel noch behauptet, er müsse nur in das Outfit schlüpfen, dann könne er mittun, so wächst dessen Angst vor einer üblen Verletzung proportional zur Spieldauer.

„Wir spielen genauso intensiv wie die Männer, nur der Sackschutz fehlt“, sagt Sabine Kleinhenz, Managerin der Adler Girls. Sonst sei alles genauso. Nein, natürlich gebe es weitere Unterschiede, räumt sie ein. Den ursprünglichen Reiz mache nicht das „Kloppen und Schlagen“ aus, sondern die Taktik.

Shuan Fatah, Betreuer der Nationals beim NFL-Europe-Team Berlin Thunder, ist sich da nicht so sicher. „Football ist immer ein Zurück in die Kindertage, wo man sich ein bisschen gerauft hat, das macht Spaß, das infiziert.“ Kleinhenz beharrt hingegen auf den taktischen Finessen der Frauen. Sie müssten mit Spielintelligenz körperliche Schwächen kompensieren: „Wir haben mehr und kreativere Spielzüge als die Männer.“ Da stimmt Fatah zu. „Die Männer neutralisieren sich oft, oder das Spiel wird von einem herausragenden Spieler entschieden.“

Adler-Coach Alexander Zeino rühmt die Ausgeglichenheit seiner Frauschaft. Nicht jede müsse superschnell sein oder die Statur einer Kugelstoßerin haben. Auch die eher schmächtige Managerin Kleinhenz spielte in ihrer aktiven Zeit als Verteidigerin. Manchmal habe sie sich beim korpulenten Gegenüber gedacht: „Hoffentlich lassen mich die Packer leben.“ Es war dann aber nicht so schlimm. „Die Schränke waren durch ihre Masse nicht schnell.“ Fünfmal hintereinander ist Kleinhenz, die „schlankste Linie der Liga“, deutscher Meister geworden. Nur im vergangenen Jahr siegten die Nürnberg Hurricans.

Die Adler Girls mischten schon vor zwölf Jahren beim ersten Damenspiel in Deutschland mit. 1992 startete der reguläre Spielbetrieb der Bundesliga mit sechs Teams. Die erste Ladies Bowl gewannen die Bamberg Lady Bears. Es wird mittlerweile in einer Nord- (Berlin; Hamburg, Braunschweig) und Südgruppe (Cologne Crocodiles; Hanau Witches; Munich Cowboys; Nürnberg) gespielt.

Die Entwicklung stagniert. „So kann es eigentlich nicht weitergehen“, sagt Kleinhenz. Immer wieder springen Teams ab, es sei schwer, Frauen anzuwerben, und wenn gute gefunden seien, müssten die auch noch draufzahlen. Für Busfahrten, Trainingslager und Schiedsrichter. Bis zu sieben Referees gibt es. Da gehen mitunter 700 Mark weg. Ständig verteile sie „powermäßig Werbezettel“, aber „wir treten auf der Stelle. Das ist alles ein bißchen traurig. Wenn nichts nachkommt, kann man bald nicht mehr von einer Bundesliga sprechen.“

Clemens Neumann mit seiner gewagten Hutkonstruktion ficht das nicht an. Er brauche nur Football hören und schon sei er da. Wie das bei einem echten Fan sein muß.