Tor für Deutschland

■ Sir Erich

Erstarrt in Erwartung, ahne ich, was nun kommt: in Fortsetzungen

unser Ende.

(Günter Grass im kicker)

Natürlich fragen mich die Leute jetzt wieder dauernd: Erich, Sir, warum tut Ihr Euch das an? Und uns? Ich sage dann zum Beispiel: Es ist doch ein gutes Zeichen, wenn man Prügelknabe ist. Ich sage: Dann wissen die Leute wenigstens, dass man etwas verschuldet hat.

  Sir Erich: Geht Deutschland unter? Ja. Natürlich. Aber es hat auch sein Gutes

Hihihi. So bin ich halt: „Unangenehmen Dingen“ gewinne Sir Erich „auch positive Seiten“ ab. Haben die netten Jungs von Sport Bild geschrieben. Haben völlig recht. Noch ein Beispiel: Manche sagen, ich hätte von zwölf Spielen nur fünf gewonnen.

Sir Erich sagt: Ja. Aber zweimal gegen Moldawien.

Manche sagen, ich hätte in einem Jahr zweimal gegen die USA verloren.

Sir Erich sagt: Ja. Aber es wird knapper.

Manche fragen sich tatsächlich, ob der deutsche Fußball untergeht.

Sir Erich sagt: Ja. Aber mit mir als Teamchef.

Manche wie Udo Lattek sagen: Ich möchte nicht in Sir Erichs Haut stecken.

Sir Erich sagt: Ja. Aber immer noch besser als in Udos Leber. (Letzteres denkt es natürlich nur in mir.)

Sir Erich sagt: Ich weiß zwar, dass niemand mehr die Wahrheit hören mag. Aber es bleibt dennoch die Wahrheit. (Niemand weiß, von was für einer Wahrheit ich rede, ist ja auch egal. Es klingt nach Verschwörung, ohne gleich in eine Verschwörungstheorie auszuarten.)

Ich weiß übrigens auch wirklich nicht, warum alle sagen, ich könnte keine Taktik von einem System unterscheiden.

Sir Erich sagt: Ja. Aber ich habe so viel Ahnung wie manch anderer auch. Fußball ist ein einfaches Spiel. Deshalb üben wir die einfachen Dinge. Hütchen aufstellen, den Ball aufpumpen; diese Grundfertigkeiten werden heutzutage doch kaum mehr trainiert.

Manche tun so wissenschaftlich und sagen, man könne individuelle Schwächen von Fußballern durch eine moderne Ordnung kompensieren.

Sir Erich sagt: Ja. Aber die müssen selber etwas kompensieren. Der Sir nicht.

Manche werfen mir vor, ich machte das Produkt kaputt.

Sir Erich sagt: Ja, die WM-Gala am Samstagabend hatte kaum Seher. Aber das zeigt doch nur, dass die Menschen nicht blöd sind.

Ich weiß auch gar nicht, warum alle sagen, ich (62) sei im Rentenalter.

Sir Erich sagt: Ja. Aber ich gehe runter zum Strand zu den Surfern. Let there be rock. Und eines sage ich ganz klar: Ja. Aber die Nationalspieler können nichts dafür. Nehmen Sie so Burschen wie den Gerber oder wie der heißt. War in Mexiko dabei und erzählt dann überall, dass er nicht zu den besten 50 der Liga gehört.

Sir Erich sagt: Wie soll so einer etwas putzen? Hätte er das mal früher gesagt.

Oder dieser ständige Vorwurf der Matthäus-Arschkriecherei.

Sir Erich sagt: Ja. Natürlich. Stimmt. Aber man kann seine Daseinserklärung von Goethe (250) beziehen – oder von Matthäus (38). Der Unterschied ist nur: Wer nicht Matthäus nimmt, wird kaum eine relevante Gesellschaftstheorie für das nächste Jahrtausend zusammenbekommen. Sehen Sie? Und genauso verhält es sich mit System und Taktik. Deshal b frage ich die Bild-Jungs. Lothar. Und Franz. Ich weiß genau, was Sie jetzt denken: Dass Sir Erich bloß ein skrupelloser Opportunist ist.

Sir Erich sagt: Ja. natürlich. Ich würde auch gern mal in in der„Wochenshow“ bei Sat.1 Leute veräppeln. Aber das ist halt jetzt mein Job. Wenn der DFB etwas hätte ändern oder gar verbessern wollen, hätte man es ja tun können. Und nicht mich holen. Berti Vogts hat einmal gesagt: „Gib dem Kaninchen eine Möhre extra.“ Daran messe ich mich.

Mitarbeit: Sir-Erich-Interviews von „WamS“, „Tagesspiegel“ u. v. a.