: Ganz Bayern hofft auf den Horst
taz testet die Liga (III): So viel kann Trainer Ottmar Hitzfeld gar nicht rotieren, dass der FC Bayern München nicht schon wieder Deutscher Meister wird ■ Von Thomas Becker
München (taz) – Der FC Bayern München ist trotz verkorkster Saisonvorbereitung erster Aspirant auf den Meistertitel. Einige unbedachte Momente am Ende der so vielversprechenden vergangenen Spielzeit haben zudem dafür gesorgt, dass den Münchnern die nötige Motivation nicht abhanden kommt.
Wird Fußball gespielt? Nö. Zuletzt übte man im Trainingslager „ohne zehn“. Damit der FCB auch ohne Promi-Profis bei Freundschaftsspielen sechsstellige Summen kassieren konnte, durften einige junge Herren aus der zweiten Mannschaft, Regionalliga, mittun. Manchmal waren das so viele, dass einer wie Michael Tarnat, zuletzt ein sicherer Tipp für die Ersatzbank, gar den Käpt'n geben durfte. Soviel zum Thema „die Mannschaft einspielen“.
Wie funktioniert das „3-4-3“? Bestens, heißt zur Zeit hier nur 3-9-7. Zu den wenigen gesunden Stammkräften stoßen noch: die drei (Linke, Matthäus und Scholl) vom „betreuten Kicken mit Uli und Erich“ in Mexiko, die zirka neun Lang- und Kurzzeitverletzten (Effenberg, Kahn, Basler, Lizarazu, Zickler, Jeremies, Fink, Kuffour, Strunz), die sich zwischen Kraftraum und Joggingstrecke plagen, und etwa sieben hochmotivierte No-Names aus Liga drei. Das System der unfreiwilligen Rotation: Alles ist im Fluss.
Wer hilft? Der Horst. Eigentlich heisst der Horst ja Mohamed Salem Al Enazin, kommt aus dem Emirat Katar und will, wie jeder halbwegs patente Fußballer, bei Bayern spielen. Weil das deutsche Wort „Horst“ und das bayerische Wort „hoasst“ ziemlich ähnlich klingen, trägt der 23jährige jetzt diesen schönen Namen. Zwei Tore hat er schon geschossen, gegen Aarau, und auch sonst trägt er mit seiner puren Anwesenheit zum Gelingen so mancher Trainingseinheit bei. Denn bevor Hitzfeld fünf gegen fünf spielen lässt oder gar den Altinternationalen Franz B. wieder in die Kickstiefel nötigt, lässt er lieber den Horst mitmachen. Klasse, Ottmar.
Wer stört? Ausser dem Bundestrainer in spe, Lothar Matthäus, und dem chronisch unterbezahlten, verkannten Weltfußballer des ausgehenden Jahrtausends, Mario Basler, nur noch besagter Franz B., dessen sämtliche Posten hier nun wirklich nicht aufzulisten sind. Dabei lenken ihn das Hickhack um seine künftigen TV-Arbeitgeber (tm3, RTL oder doch die „Sesamstraße“) und der vermaledeite Job als oberster Bewerber um eine längst vergebene WM (Jambo, Mister Blatter!) nur von seiner eigentlichen Bestimmung ab: seinen Millionarios nach einem mageren 6:0 gehörig den Marsch zu blasen. Jetzt will er auch noch Boris B. in den Verwaltungsbeirat holen. Der hat gerade noch gefehlt.
Taugt der Trainer? Ottmar Hitzfeld ist ein Alleskönner. Sportliche Kompetenz: kein Widerspruch. Menschenführung: Zuckerbrot und Peitsche – das kann er. Selbsttherapie: wird besser. Legt kaum noch an Falten zu, spielt Golf in Mallorca. Außenwirkung: der perfekte Regierungssprecher. Verkauft selbst Liga-Pokal oder Testkicks mit sieben Amateuren als „Highlight“, das „total wichtig war für die Psyche“. Braucht keinen PR-Berater.
Taugt der Torwart? Hmm. Dank des Lehmann-Effekts (stetes Lästern höhlt den Kahn) wird aus dem 1a-Bundes-Olli mitunter ein für Freund und Feind gefährliches Nervenbündel. Verletzt auch noch in der Vorbereitung, kaum Training möglich: Gibt es etwas Schlimmeres für Oliver Kahn? Immerhin ist der Maier Sepp bei ihm geblieben, als die anderen zum Repräsentieren nach Mexiko geflogen sind. Wie hat Nina Ruge immer gesagt: Alles wird gut.
Was tun die Neuen? Andersson (Tendenz: Abwehrchef) ist schon da, wo Wiesinger noch hin will: drin im Team. Sergio dürfte auch gesetzt sein, egal ob rechts oder links vorne. Der 17jährige Roque Santa Cruz ist eine „mittelfristige Investition“ (Hitzfeld), darf also noch üben. Bruder Diego (!) ist erst 16, durfte auch schon mittrainieren: eine langfristige Investition? Der jüngste Spross des Clans – und angeblich talentierteste – heißt übrigens Julio und ist neun. Aber das wäre dann wohl Kinderarbeit.
Wie schießt man Tore? Entweder lässt Hitzfeld das Südamerika-Trio (Santa Cruz/Elber/Sergio) von der Leine, reaktiviert die Doppelspitze mit zwei Mittelstürmern (Elber/Jancker) oder rotiert wahlweise Salihamidzic oder Scholl rein – die Sorgen möchte mancher Kollege haben. Hauptsache, Ottmar schickt Zickler nicht zum Toreschießen.
Wer ist der Beste? Effe. Der „beste Mittelfeldspieler der Welt“. Sagte Hitzfeld. Und kürte ihn gleich ganz undemokratisch zum Kapitän. Auszüge aus seiner Eloge: gute Nerven, Durchsetzungsvermögen, sehr sensibel, Respektsperson, krisenerprobt, sehr viel Einfühlungsvermögen – noch Fragen? Klar: Wo ist Effenberg in den großen Spielen? Hat er Elfer geübt? Auch mit Anlauf? Und: Löst er Lothar nach der verpatzten EM endlich als Bundes-Kapitän ab?
Was folgt aus den Erkenntnissen? Es kommt, wie es kommen muss. Sechs Siege in Folge wie zu Beginn der vergangenen Saison wird es zwar nicht geben, es sei denn, der Horst wird noch besser. Aber wenn sich die ungefähr 17. Ausgabe des Dream-Teams Süd erst einmal einrotiert hat, wird den anderen schwindelig werden. Und außerdem darf ein FC Bayern München schon qua Vereinsstatut nie weniger als Erster werden.
Der gefühlte Tabellenplatz: Auch wenn Dortmund und Leverkusen diesmal ein bisschen länger mitspielen dürfen, bleibt alles, wie es war.
Folge: 18 Vereine spielen, und am Schluss gewinnen doch wieder die Bayern.
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