Die neue Rächtschreibung
: Hardrock gegen die Midlifecrisis

■ Wird Friseur zum Frisör, geht die Kutür vor die Hunde /Fremdwörter / Teil 8

Es ist vollbracht. Am 1. August haben die deutschen Presseagenturen auf ndR (neue deutsche Rechtschreibung) umgestellt. Wir auch. Um die Kulturrevolution zu unterstützen, hat die taz bislang jeden Mittwoch an dieser Stelle eine Lektion in neuer Orthographie veröffentlicht – vorgestellt von Bremer DeutschlehrerInnen.

Unser Hairstylist bewältigt seine Midlifecrisis mit Hard-rock oder Cooljazz aus dem Shoppingcenter.

Hilfe, eine neue Welle von Fremdwörtern kommt über uns aus Richtung Amerika, bevor wir die (Sprach)einwanderer aus Griechenland, Italien und Frankreich richtig integriert haben. Hier liegt tatsächlich ein Problem. Wird zügig „eingedeu-tscht“, ist die Kritik schnell bei der Hand: Von den einen werden falsche nationale Motive unterstellt und von den anderen ein zu laxer Umgang mit sprachlichen Traditionen. Hält man sich mit der „Eindeutschung“ zurück, dann entsteht schnell der Eindruck, dass die deutsche Sprache vom Ausland unterwandert wird. Wie man es macht, so ist es verkehrt. Die Kritiker hat man immer gegen sich. Das hat auch die Rechtschreibkommission erfahren. Sie ist mit ihren Vorschlägen zur Integration der Fremdwörter sehr vorsichtig und bietet in den meisten Fällen zwei unterschiedliche Schreibweisen zur Auswahl an.

Wo im täglichen Gebrauch die Integration weit fortgeschritten ist (wie bei Telefon und Fotograf), wird empfohlen, die f-Schreibung auch auf alle verwandten Wörter zu übertragen.

Also: Wörter mit -phon-, phot- und -graph- in Zukunft mit f: Megafon, Grafik, Mikrofon. Oder wenn aus dem französischen é ein deutsches ee geworden ist, wie in Allee und Kaffee, dann sollte man in Zukunft auch dem Varieté und dem Dekolleté ein deutsches Äußeres anpassen.

Klar, dass sich niemand an die feinen Herrschaften aus der griechischen Wissenschaft und Kunst herangewagt hat. Philosophie, Philharmonie und Rhythmus bleiben bis auf weiteres unnahbar und unangetastet.

Da trifft es den Imbissstand am Hauptbahnhof entschieden mehr. Wer sich den Empfeh-lungen der Rechtschreibreform anschließt,muss 90 Prozent seiner Ware neu ausschildern: Spaghetti zu Spagetti und Ketchup zu Ketschup.

Es gibt aber auch Wörter, denen die Eindeutschung ausgesprochen schlecht bekommt, z.B. dem Friseur. Wer seine Berufsbe-zeichnung zum Frisör eindeutscht, läuft Gefahr, sich das Geschäft zu verderben. Denn mit dem deutschen ö geht auch die modische französische Eleganz verloren. Und für den Kunden steht schnell fest: So einer kann nur den traditionellen „Pottschnitt“. Neuerdings sorgen aber Coiffeur und Hairstylist wieder für größeres Ansehen.

Wie gut, dass wir in vielen Fällen nicht mehr erkennen können, was alles irgendwann in unsere Sprache eingewandert ist: Fenster, Straße, Esel, kaufen. Bei anderen Wörtern ahnt man die fremde Herkunft noch: Karussell, Schal und Taifun, die vor 100 Jahren noch Carrousel, Shawl und Typhoon geschrieben wurden. Eine Sprache, die im Lauf ihrer Geschichte Tau-sende von fremden Wörtern aufgenommen und ihrem Schriftbild angepasst hat, wird auch in Zukunft mit dem neuen Schub von Anglizismen aus Übersee fertig werden. Okay?

Hans Heinrich Rogge, Landesinstitut für Schule