Das irgendwie coole Berlin repräsentieren

■ Terranova lieben Plattenkisten, potente Gästelisten und machen relaxten TripHop

Vor kurzem durfte das Berliner TripHop-Kollektiv Jazzanova für das Magazin Max eine CD zusammenstellen, die den „Sound of Berlin“ repräsentieren sollte. Den Job hätten, was internationale Reputation, Sinn für geschmackvolles Sound-Design und die Vorliebe für Netzwerke angeht, genauso gut Terranova annehmen können.

Trotz der Ähnlichkeit der Namen und der gleichen Repräsentation eines irgendwie coolen Berlins haben Jazzanova und Terranova nichts miteinander zu tun. Die drei von Terranova – Kaos, Fetisch und Meister – üben sich auch gleich in vorauseilender Abgrenzung. Fetisch findet deren Gebaren eher peinlich: „Ich finde es schon recht seltsam, dass die sich einen ähnlichen Namen wie wir zulegen mussten, obwohl sie nicht gänzlich anders als wir arbeiten und dazu noch aus derselben Stadt kommen.“

Konkurrenz belebt das Geschäft. Außerordentlich erfolgreich arbeiten jedenfalls beide Acts. Jazzanova werden derzeit an der Remix-Börse hoch gehandelt und Terranova haben gerade erst den Soundtrack für den aktuellen Film von Rainer Kaufmann, „Long Hello & Short Goodbye“, beigesteuert. Ihre demnächst erscheinende Platte „Close the Door“ könnte sich zum Hit entwickeln. Lange haben sie an dieser Platte gearbeitet und noch viel länger daran, dass diese jetzt mit solcher Spannung erwartet wird. Denn letztlich ist „Close the Door“ nach vielen Maxis und Projekten das erste „richtige“ Album. Früher nannten sie sich Turntable Terranova, eine Reminiszenz an den großen alten Herrn des Dub, an Lee Perry, von dem dieser Begriff stammt. Sie releasten einige Maxis bei Compost, einem Münchener Label mit einer ziemlich ausgeprägten Corporate Identity, die ihnen dann aber irgendwann zu engstirnig wurde.

Vor dem Split arbeiteten sie allerdings noch mit einem der Überväter der Techno-Geschichte zusammen, mit Manuel Göttsching, der heute als eine Art Schatten Kraftwerks rezipiert wird. Meister dazu: „Solche Tüftlertypen wie Manuel Göttsching respektieren und bewundern wir eben. Leute, die ihrer Zeit einfach voraus waren. Auch so jemanden wie Jimi Hendrix, der nicht bloß coole Songs geschrieben, sondern auch intensiv im Studio gearbeitet hat. Oder George Martin und dessen Arbeit mit den Beatles. Lee Perry ist natürlich auch so ein Typ.“

Der richtig große Schritt nach vorne war dann aber letztes Jahr ihre Mix-Scheibe in der renommierten DJ-Kicks-Reihe. Unterstrichen sie mit dieser doch ihren Ruf als DJ-Kollektiv, ihr immer noch wichtiges Teilprofil neben der Produzententätigkeit. Hier legten sie durch ihre dezidierten Griffe in die Plattenkiste ihre geschmacklichen Vorlieben für futuristische Sound-Scapes über relaxten TripHop bis Underground-HipHop offen dar. Ein Geschmack, der sich auch auf ihrem demnächst erscheinenden Long Player wiederfindet. Außerdem fahren sie auf Letzterem eine ziemlich potente Gästeliste auf. Mit dabei sind: vorneweg Tricky, außerdem Cath Coffey, die bei den Stereo MCs gesungen hat, der Underground-Rapper Rasco aus San Francisco und Alexander Hacke von den Einstürzenden Neubauten. Außerdem schmücken das Cover und das ganze Booklet der Platte Fotos von Jürgen Teller, Deutschlands Lifestyle-Starfotograf Nummer 1. Doch jetzt bloß keine falsche Bescheidenheit. Fetisch: „Na ja, das sind halt einfach alles gute Leute.“ Und Kaos ergänzt: „Wir finden die gut und die finden eben uns gut.“

Für Zurückhaltung gibt es auch überhaupt keinen Grund. Bei der Record-Release-Party vor kurzem im WMF haben die großen englischen Lifestyle-Magazine, von Dazed & Confused bis iD, reihenweise ihre Journalisten einfliegen lassen. In England ist man ziemlich gespannt auf das Terranova-Album, vor allem die Arbeit mit Göttsching hat dort für Aufsehen gesorgt. Dafür aber, dass sie den Soundtrack für einen der diesjährigen Anwärter in der Kategorie „schlechtester Film des Jahres“ gemacht haben, für „Long Hello & Short Goodbye“, schämen sich Meister und Fetisch nicht im Geringsten. Müssen sie auch nicht, die Musik ist mit Abstand das Beste am Film. Meister dazu: „Also, ich möchte jetzt auf keinen Fall den Film schlecht machen. Der Film ist mutig. Natürlich, wenn du mich fragst, gefällt mir 'Dark Star‘ von John Carpenter besser, aber sei's drum.“

So was nennt man Diplomatie, und da die Halbwertszeit von (guten wie auch schlechten) Filmen mittlerweile nicht mehr länger ist als die von Popmusik, wird man beim Erscheinen von „Close the Door“ auch an alles mögliche denken, bloß nicht an Nicole Krebbitz und Marc Hosemann.

Andreas Hartmann

Terranova: „Close the Door“ (K7/Zomba) erscheint Ende August. O.S.T. : „Long Hello & Short Goodbye“ (Virgin)