Unfreiwillig unkomische Nummer

■  Merkwürdige Trauerarbeit oder Ironie des Schicksals: In der aktuellen Ausgabe von John F. Kennedy juniors Politainment-Magazin „George“ sitzt bereits ein anderer auf dem Chefsessel – wenn auch nur zum Spaß

„Der Ruf kam unerwartet“, steht da. Wie wahr. Aber „wie ein Tritt in die Magengrube“? Und doch beginnt mit diesen Worten das August-Editorial des New Yorker Magazins George, das bis zum 17. Juli von John F. Kennedy jr. persönlich geleitet wurde.

Des Weiteren ist da von „echtem Schmerz“ die Rede, aber auch von irgendwelchen am Vorabend verzehrten, schwer verdaulichen Schalentieren. Und man mag diese einleitenden Sätze für exzentische Nachrufprosa halten, die irgendwer in aller Eile und Verzweiflung angesichts des plötzlichen Ablebens seines Blattmachers ins Geleitwort getippt haben könnte.

Dabei ist alles ganz anders. Schon sehr bald wird deutlich, dass der Editorialschreiber – übrigens niemand Geringeres als der Schauspieler Ben Stiller – bei seinen pain-vollen Ausführungen gewiss keinen Nekrolog im Sinn hatte, sondern bloß den eigenen verdorbenen Magen.

Merkwürdig bleibt's trotzdem: Zwei Wochen sind seit Kennedys Flugzeugabsturz vergangen. Aber in der ersten posthumen Ausgabe seiner Zeitschrift, (die nun wohl auf ein weitaus größeres Interesse stößt als je zuvor) findet sich kein einziges Wort über den „tragischen Tod“ und „Schicksalschlag“, mit dem sich ja manch buntes Magazin um Leser bemühte: Newsweek beispielsweise hat sich schnell eine „top-aktuelle Memorial Edition“ aus den Fingern gesogen und in einer Auflage von 8.500 Exemplaren an die Kioske geschickt. Und selbst hierzulande, wo doch kaum jemand den US-Chefredakteur gekannt haben mochte, ließ die Bunte bereits eine Woche nach dem Unglück ein dickes „Sonderheft über Amerikas Mythos 'Die Kennedys – Glanz und Tragik einer Familie‘ “ zusammenschustern und 400.000fach auf den Markt werfen.

George selbst präsentiert sich stattdessen gut 50 Hochglanzseiten nach dem befremdlichen Editorial noch pietätloser: Da nämlich hat die Grafik ein Visitenkärtchen seines „President/Editor in Chef“ platziert, auf dem der Namenszug von JFK jr. rigoros gestrichen und durch den Stillers ersetzt wurde. Andererseits wäre die Annahme, die Ungebührlichkeiten seien vielleicht Georges Art zu trauern, so abwegig nun auch wieder nicht. Das Magazin, das vor vier Jahren den Versuch unternahm, Politik als das zu zeigen, was sie vielleicht schon lange ist – Unterhaltung nämlich –, gibt sich schließlich gern mal taktlos-satirisch: „Wie adoptiere ich einen Kosovo-Flüchtling?“, fragte jüngst US-Komiker Steve Martin bereits auf dem Titel; und die Provokation, dem 61-jährigen Hardcore-Republikaner Alfonse D'Amato einen festen Kolumnenplatz einzurichten, muss man auch erst mal lustig finden wollen ...

Insofern hätte die Konzeption ausgerechnet einer „political humor issue“, einer besonders humorigen Ausnahme-Ausgabe, durchaus etwas Tröstliches – auch (oder erst recht) wenn es dazu aus New York bloß heißt, die Augustnummer sei genauso wie geplant erschienen: mit einem Interview mit dem Sommerhitsänger Ricky Martin über dessen (nicht vorhandene) politische Ambitionen z. B. oder einem gewalttätigen Comic-Strip starring Jimmy Carter, Ronald Reagan und George Bush – und (Ironie des Schicksals) eben dem „JFK Jew-noir“ Stiller als ebenso erheiterndes wie verkaufsförderndes Chefsubstitut.

Doch während das aktuelle George ganz gut ohne seinen Kennedy auszukommen scheint, bleibt die Zukunft des Politainment-Blattes ungewiß. Denn auch ohne den Absturz des prominenten Chefredakteurs mit den großen Initialen und dem kleinen „jr.“ stand es nicht zum Besten mit George: Zwar zeigt die Auflagenentwicklung (derzeit rund 400.000) nur einen leichten Abwärtstrend, das Anzeigenaufkommen indes lag im ersten Halbjahr 99, ähnlich wie der Direktverkauf am Kiosk, bereits ein sattes Drittel unter dem des Vorjahres.

Aber was hat doch gleich Mr. Stiller in aller Unschuld (und weiser Voraussicht) in sein Aushilfs-Editorial geschrieben? Kennedys Job bei George sei vergleichbar mit einem Paar „Cinderella slippers“? Wie wahr: Wenn Aschenputtel nicht gestorben ist, lebt es noch heute. Und wenn doch, gibt es nun mal nichts Überflüssigeres als sein famoses Schuhwerk. csch