Brokers Traum vom großen Geld

■ Wegen Betruges in 320 Fällen stehen seit gestern 13 Anlageberater vor Gericht

In Schlips und Kragen kommen die U-Haft-Gefangenen aus dem unterirdischen Zuführtunnel ins Gericht. Zurechtgemacht wie auf dem Weg ins Büro in der Hamburger City, in der sie residierten, ehe sie wegen Anlagebetruges verhaftet wurden. „Buongiorno“ ruft einer der Angeklagten einem ehemaligen Kollegen zu und reckt den Daumen siegessicher in die Höhe. Dem Publikum zwinkert er zu, als wäre er auf einer Theaterbühne und nicht zusammen mit zwölf weiteren Tatverdächtigen im Sitzungssaal des Landgerichtes, wo ihnen Betrug in 320 Fällen vorgeworfen wird. Schadenshöhe: rund 18 Millionen Mark.

Die Creme der Hamburger RechtsanwältInnen ist zur Verteidigung angetreten. Nur wenige ZuschauerInnen sind im Saal. Es sind überwiegend Frauen, die den Prozess verfolgen. Vorne bestimmen Männer das Bild. Dunkle Roben, dunkle Anzüge. „Wie alt sind Ihre Kinder?“ fragt der Vorsitzende Richter Klaus Rühle einen Angeklagten. „Fünf und sieben, glaube ich.“

Besonders schweren Fall des Betruges wirft die Staatsanwaltschaft den 13 Anlageberatern vor, von denen vier in Untersuchungshaft sind. Sie waren bei drei Firmen angestellt, der „Volante Anlagenvermittlungs- und Vermögensberatungsgesellschaft“, der „ICS Commodity Service“ sowie der „CCB, Currency and Commodity Broker GmbH“. Hier wollten sie offenbar ihren Traum vom großen Geld verwirklichen. Einer ausgebildeter Kellner, ein anderer Schuhverkäufer, ein dritter hat Stahl- und Betonbauer gelernt. In der Finanzwelt fanden sie sich wieder und schoben täglich Geldsummen hin und her, die sie in ihren früheren Berufen in einem Jahr kaum hätten verdienen können.

Eigentlich war es ihr Job, das Geld von in- und ausländischen Kunden gewinnbringend in Waren-und Devisen-Termingeschäften anzulegen. Statt den Gewinn der Kunden sollen sie indes ihren eigenen Vorteil im Auge gehabt haben. Zuerst, so die Staatsanwaltschaft, hätten sie durch Trickserei „die Konten der Kunden geplündert“. Anschließend hätten sie ihnen vorgespiegelt, durch neue Geschäfte den Verlust wieder ausgleichen zu können. Sodass die Kunden durch weitere Investitionen noch mehr Kapital verspielten. Zwei einzelne Fälle wirft die Staatsanwaltschaft einem Angeklagten vor, ein anderer soll 80 Kunden betrogen haben.

Über Stunden zählen die drei StaatsanwältInnen abwechselnd rund 320 Betrügereien auf, begangen seit 1994. Ein Kunde hat bei „Volante“ etwa 16.540 Mark eingezahlt, „rausbekommen hat er nichts“. Ein anderer hat 17.043 Mark investiert, „rausbekommen 850,32 Mark“. Irgendwann regt der vorsitzende Richter an, der Kürze halber die ausgezahlten Beträge nur noch zu erwähnen, wenn die Kunden Geld zurückbekommen haben. Das Tempo zieht an.

Der Prozess wird am Montag fortgesetzt. Elke Spanner